PR TB 078 Irrfahrt in Die Vergangenheit
Ishmaiten-König fürchtet sich
nicht vor einigen Winterschläfern.«
Rhodan hatte die Felswand im Auge behalten. Jetzt sah er, daß
sich die Büsche bewegten. Gleich darauf erschien Norren. Er
hielt einen Bogen in der Hand und hatte einen Pfeil gespannt.
»Nicht mehr nötig«, sagte Rhodan. »Dort ist
Norren.«
Krelons Augen funkelten zornig. »Ich werde ihn lehren, daß
man einen Ishmaiten-König nicht warten.«
»Beherrsche dich, Krelon«, mahnte Rhodan. »Schließlich
willst du diesen Mann um einen Gefallen bitten.«
Krelon wollte aufbegehren, aber Rhodan ließ ihn ganz einfach
stehen und ritt zu Norren. Er mußte zehn Meter vor ihm Halt
machen, weil sein Jourd das letzte steile Stück nicht überwinden
konnte.
»Erkennst du mich wieder, Norren?« erkundigte sich
Rhodan.
»Jawohl, Herr, ich erkenne euch«, antwortete Norren
und seine Stimme klang
ungewohnt hart. »Und ich sehe auch, daß ihr euch mit
den Ishmaiten verbündet habt.«
Jetzt erst verstand Rhodan, warum sich Norren so feindselig gab.
»Ich habe dich und deine Familie nicht verraten«,
erklärte er. »Nur ein einziger Ishmait weiß von
deinem Versteck in der Felswand. Es ist König Krelon, der mich
gebeten hat, dich in seinem Namen um einen Gefallen zu bitten. Er
möchte, daß Urla, seine Lieblingsfrau, ihr Kind in deinem
Schutz zur Welt bringt.«
Norren begann höhnisch zu lachen. Als er geendet hatte, sagte
er: »Ist König Krelon etwa zu feige, sein Weib nach altem
Ishmaitenbrauch in der Wildnis umkommen zu lassen!«
Krelon kam herangeprescht und sprang vom Jourd.
»Alter, selbst wenn mich dein Pfeil trifft, werde ich noch
die Kraft haben, dich mit meinem Schwert in zwei Stücke zu
schlagen«, schrie er.
»Tötet mich nur, tötet mich nur, tapferer
Ishmaiten-König«, entgegnete Norren ohne Furcht. »Dann
könnt ihr euch meine sechs Kinder als Beute mitnehmen. Aber seid
gewiß, keines von ihnen ist so kräftig wie Derd. Sie
werden unter euren barbarischen Händen zerbrechen.«
Norren schluchzte plötzlich. Der Pfeil entglitt seinen
Fingern und schoß in den Himmel hinauf; der Bogen fiel zu
Boden.
»Was ist mit Derd?« erkundigte sich Rhodan.
»Sie haben ihn zum zweitenmal geraubt«, erzählte
Norren mit stockender Stimme. »Er begleitete euch zur Schlucht
und kam nicht mehr zurück.«
Rhodan blickte zu Krelon. Dieser zuckte seine fleischigen
Schultern. Natürlich, er konnte nichts über Derds Schicksal
wissen. Er befehligte ein Heer von mehr als hunderttausend Männern,
er konnte nicht über die Tätigkeit jedes einzelnen
informiert sein.
»Besteht eine Chance, daß der Junge noch lebt?«
fragte Rhodan so leise, daß es Norren nicht hören konnte.
»Vielleicht lebt er noch«, erwiderte Krelon. »Wenn
du ihn findest, gehört er dir.«
Rhodan wandte sich an Norren.
»Ich werde mich um Derd annehmen«, versprach er.
»Ich danke euch, Herr. Ich weiß, daß ihr so
sprecht, wie ihr denkt, deshalb vertraue ich euch.«
»Wirst du dich um Urla kümmern?«
»Ich werde sie und ihr Kind hüten, wie man den Schatz
eines Ishmaiten -Königs nur hüten kann. Ich will.«
»Schluß jetzt, Alter, ich habe nicht die Zeit, mir
dein Geschwätz anzuhören«, unterbrach Krelon Norren
barsch, aber es klang nicht zornig, sondern nur ungeduldig. Von
Rhodan verlangte er: »Reite du voran, ich komme nach.«
»Leb wohl, Norren«, verabschiedete sich Rhodan von dem
Alten und hob die Hand zum Gruß.
»Lebt wohl, Herr.«
Rhodan ritt davon. Zwei Stunden später, als er die Nachzügler
der Ishmaiten in der Schlucht eingeholt hatte, holte ihn Krelon ein.
Er war guter Laune, was noch seltener war, als seine Anwandlungen
von
Menschlichkeit.
»Alle werden glauben, ich habe mit Urla noch meinen Spaß
gehabt und sie dann ihrem Schicksal überlassen«, lachte
er. »Doch sie wird bei dem Alten in guten Händen sein.
Einer der seine leiblichen Kinder liebt wie sich selbst, wird auch
gut zu meinem Kind sein.«
»Da du so zufrieden bist, erwarte ich, daß du nun dein
Versprechen einhalten wirst«, meinte Rhodan.
Krelons Gesicht verzog sich, als hätte er ein gallebitteres
Getränk getrunken. »Ich werde auf keinen Fall deinetwegen
ein Gesetz der Ishmaiten brechen, Dämon Rhodan. Wenn du diesen
Derd findest, dann nimm ihn dir. Kämpfe um ihn, töte seinen
Beutevater, aber ich werde dich nicht unterstützen.«
Er brach in ein furchtbares Gelächter aus und ritt davon. Er
ließ einen nachdenklichen Rhodan zurück, der über die
Ehrenhaftigkeit der Ishmaiten im
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