PR TB 078 Irrfahrt in Die Vergangenheit
allgemeinen und ihres Königs im
besonderen nachdachte.
10.
Die Ishmaiten hatten die Berge endgültig hinter sich gebracht
und das Flachland überflutet. Sie verbreiteten Angst und
Schrecken unter den Bauern und Hirten, verwüsteten deren Land,
steckten deren Gehöfte in Brand und schlachteten ihr Vieh. Jene,
die mutig genug gewesen waren, ihr Hab und Gut zu verteidigen,
konnten gezählt werden - und den meisten von ihnen war ihr Mut
zum Verhängnis geworden.
In der ersten Woche, als sich das unübersehbare Heer der
Barbaren über die flachen Ausläufer der Berge gewälzt
hatte, gab es ein unbedeutendes Scharmützel mit einer Handvoll
Soldaten eines Bergvolkes. Rhodan hatte das Ärgste verhindern
können, indem er Krelon dazu überredete, die Kapitulation
des Gegners anzuerkennen und die Gefangenen gegen ein Lösegeld
freizulassen. Aber diese unpopuläre Maßnahme hatte die
ersten Unmutsäußerungen gegen Rhodan zur Folge gehabt. Zum
erstenmal hatten sich einige Stammesfürsten offen gegen Rhodan
als Krelons Berater ausgesprochen. Es bestand kein Zweifel darüber,
daß die pionischen Priester die Wut der Ishmaiten schürten,
denn Rhodan war ihnen ein Dorn im Auge. Sie sahen, daß Krelon
immer mehr ihrem Einfluß entglitt und in die Abhängigkeit
des Dämons geriet.
Die Situation zwischen Rhodan und den Ishmaiten um Krelon wurde
immer angespannter. Zweimal konnte Rhodan einer Auseinandersetzung
nur mit viel Diplomatie ausweichen. Doch er wußte, daß es
ihm ein drittes Mal nicht mehr gelingen würde. Selbst Krelon
würde an ihm zu zweifeln beginnen, wenn er seine Ansichten
ständig nur mit Worten und nicht mit den Waffen verteidigte. Der
Ishmaiten-König versuchte zwar, Rhodans Standpunkt zu verstehen,
doch fehlten ihm dazu die moralischen und ethischen Voraussetzungen.
Er war ein Kämpfer und lebte nach dem Gesetz: töten oder
getötet werden. Er konnte nicht anders und seine Sympathie zu
Rhodan brachte ihn in eine unangenehme Lage.
Er selbst stellte sein Dilemma in folgenden Worten dar:
»Es gibt zwei Möglichkeiten für einen König,
seine Macht zu verlieren. Wenn er seine Stellung nur durch Intrigen
gewonnen hat, dann werden seine Männer bald erkennen, daß
seine angebliche Stärke nur Falschheit ist, mit der er sie
blendete. Er wird bald unter der Klinge eines tapferen Ishmaiten
sterben. Die zweite Möglichkeit wäre die, daß ein
geehrter und gefürchteter Führer in den Einfluß eines
unfähigen Beraters gerät. Meine Männer befürchten,
daß dieser Fall eintreten könnte - und ich befürchte
das auch.«
Nach dieser Äußerung erkannte Rhodan, daß der
augenblickliche Zustand nicht mehr lange tragbar war. Nur dem
Umstand, daß Krelon ihm aus unerfindlichen Gründen geneigt
war, war es zu verdanken, daß er bei den Ishmaiten geduldet
wurde. Krelon beschützte ihn nur, weil er hoffte, ihn noch
ändern zu können. Doch einmal mußte der Tag kommen,
da er einsah, daß Rhodan die barbarischen Gesetze der Ishmaiten
nie anerkennen würde.
»Du besitzt Fähigkeiten, Rhodan«, sagte Krelon
einmal, nachdem Rhodan durch seine Intervention die Bewohner eines
Dorfes vor einem schlimmen Schicksal bewahrt hatte, »die ich
für mich gewinnen möchte. Aber wenn ich erkenne, daß
sie für mich nicht erreichbar sind, werde ich dich schutzlos
deinen Feinden überlassen.«
Und Rhodan wußte, daß er viele Feinde in den Reihen
der Ishmaiten hatte. Er dachte auch ständig an Ishonas Drohung,
ihn zu töten. Obwohl Ishona verbannt worden war, so gab es für
Rhodan keinen Zweifel darüber, daß er immer noch mit den
anderen pionischen Priestern in Verbindung stand. Sie würden ihm
sagen, wann der günstigste Zeitpunkt war, seine Rache zu
stillen.
Rhodan hätte sich schon von den Ishmaiten abgesondert, wenn
er Norren nicht das Wort gegeben hätte, sich um Derd zu kümmern.
Er hatte viel Zeit für die Suche nach dem Verschleppten
aufgewandt, doch hatte er bisher noch keine Spur von ihm gefunden. Da
Krelon ihm jegliche Unterstützung verwehrte und die Ishmaiten
seine Nachforschungen durch ihr feindseliges Verhalten erschwerten,
glaubte er bald nicht mehr daran, Derd überhaupt zu finden.
Trotzdem wollte er bei den Ishmaiten ausharren und weitersuchen,
solange er Krelons Gunst genoß.
Sein Entschluß wurde ihm leichter gemacht, weil die
Ishmaiten zum Pyramidentempel ihres Gottes Pion zogen. Und dorthin
wollte Rhodan ebenfalls.
Die »große, barbarische Flut« hatte am
zwanzigsten Tag bereits ein Gebiet von achthundert
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