PR TB 084 Das Meer Der Zeit
Wissenschaftler
folgte.
Als die blaue Sonne im Westen unter den Horizont sank, wußten
Grabner und seine Begleiter, daß sie zwar insgesamt fünfzehn
Jahre verloren, dafür aber gute Freunde gewonnen hatten.
Kein teurer Preis dafür.
7.
Auszug aus dem Bordtagebuch der EX-724:
Zeit: 27. Mai 2424, Vormittag.
Diktat Grabner, Kommandant:
Ich habe mich entschlossen, dem Drängen Professor Grützlis
und Dr. Hallströms nachzugeben. Wir werden das Experiment noch
einmal durchführen, diesmal über eine Strecke von achtzehn
Lichtjahren hinweg. Wir werden Nurmi einholen.
Bral wird uns abermals begleiten. Er hat uns darauf aufmerksam
gemacht, daß wir nicht eine Strecke von achtzehn, sondern von
dreiunddreißig Lichtjahren zurückgelegt haben, wenn wir
Nurmi einholen wollen, denn der Schnelläufer rast mit fünf
Sechstel LG dahin, von uns fort.
Bral hat nur dann recht, wenn das Zeitexperiment nicht gelingt.
An Bord herrschen Erregung und fieberhafte Spannung, jedoch keine
Panik oder Unruhe. Ich glaube, wir haben uns schon alle damit
abgefunden, daß wir die Erde, wie wir sie kennen, nicht mehr
wiedersehen.
Das Schiff, das vor nahezu zweihundert Jahren auf Blue III
landete, war der
verschollene Explorer, dessen veralteten Funksprüche wir
auffingen. Der Kommandant hatte sich als Eroberer gefühlt und
versucht, den damals noch primitiven Herkonen seinen Willen
aufzuzwingen. Der passive Widerstand zwang ihn schließlich
dazu, unverrichteter Dinge wieder zu starten. Er kehrte nie mehr
zurück.
Danach kam noch ein anderes Schiff. Der Beschreibung nach war es
kein terranisches Schiff. Es muß in diesem Sektor also eine
raumfahrende Rasse geben, die uns unbekannt ist. Auch sie gaben sich
kriegerisch, verließen Blue III jedoch, ohne Schaden
anzurichten.
Weitere Landungen erfolgten in der Vergangenheit. Die Berichte
darüber gingen verloren oder sind unvollständig. Immerhin
haben die Herkonen stets gewußt, daß sie nicht die
einzigen Intelligenzen im Universum sind. Nur so kann der erstaunlich
hohe Stand ihrer Ethik erklärt werden.
Der Start ist für heute 16.00 TZ vorgesehen.
Zeit.: 27. Mai 2424,18.00 TZ.
Blue III liegt schon weit hinter uns.
Smith beschleunigte mit Höchstwerten. Wir werden morgen die
Lichtgeschwindigkeit erreichen, wenn alles gut geht. Ich bezweifle
nun, daß wir sie jemals überschreiten können. Am
Linearantrieb wird noch immer gearbeitet, aber auch mit ihm lassen
sich die verlorenen Jahre nicht mehr einholen.
Nurmi steht genau vor uns.
Geschwindigkeit jetzt: 68,8% LG.
Zeit: 28. Mai 2424, 20.00 TZ.
Geschwindigkeit ist 95,5 und steigt weiter.
95,5% LG - das bedeutet bereits eine geringfügige
Zeitverschiebung.
Draußen vergeht sie schneller, im Schiff langsamer. Die
Frage ist nur: Was ist richtig? Oder stimmt beides? Verdammte
Relativität!
Smith meldet eben, daß alles programmäßig
verläuft - natürlich bis auf den Linearantrieb. Der Teufel
soll die Kalups holen!
Hallström will mich sprechen. Ich zeichne das Gespräch
auf.
Das Gespräch.:
Grabner: »Sie haben Neuigkeiten aus der astronomischen
Beobachtungskuppel, Doktor? Berichten Sie, bitte.«
Hallström: »Wir beginnen, Nurmi einzuholen. Mit relativ
geringer Geschwindigkeit noch, vielleicht mit 12% LG. Nurmi selbst
hat etwa 83,5% LG. Aber darüber wollte ich nicht mit Ihnen
sprechen, Sir. Ich habe ein anderes Problem.«
Grabner: »Ein Problem? Hoffentlich nichts Ernsthaftes. Wir
haben Sorgen genug jetzt.«
Hallström: »Nein, nichts Ernsthaftes in dem Sinne, wie
Sie meinen. Dr. Helga Petersen und ich möchten heiraten und
bitten Sie, die Trauung vorzunehmen.«
An dieser Stelle wird § 55 der Bordordnung für
Explorerschiffe eingeblendet. Er lautet: Bei Dienstreisen im Auftrag
der Solaren Raumflotte, Abteilung Explorerflotte, ist es dem
Kommandanten gestattet, Angehörige der Besatzung und der
wissenschaftlichen Teams zu trauen, wenn sich das Schiff länger
als drei Jahre ununterbrochen im Raum aufhält. Ausnahmen sind
unter besonderen Bedingungen zulässig.
Grabner: »Wie war das?«
Hallström: »Wir haben uns entschlossen zu heiraten und
berufen uns auf den Paragraphen Nr. 55 der Schiffsordnung.«
Grabner: »Ja, das habe ich begriffen. Hallström. Aber
Sie vergessen eine Kleinigkeit: wir sind erst seit dem 8. März
unterwegs. Wenn wir die Landung auf Omega einbeziehen, und das müssen
wir wohl, erst seit dem 15. März, also etwa zehn Wochen. Die
Bestimmung schreibt aber drei Jahre Raumaufenthalt vor.«
Hallström:
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