PR TB 084 Das Meer Der Zeit
Materiewolke stand genau zwischen Andromeda und
Milchstraße. Sie war in keiner Sternkarte angegeben, denn
niemand hatte sie je entdecken können. Im Linearraum galten
nicht die Gesetze des Einsteinuniversums.
Auch Morrison argwöhnte nicht das geringste, als er sich mit
einem Blick auf den Panoramaschirm davon überzeugte, daß
die EX-724 genau auf Kurs lag. Die Wolke verdunkelte das Licht der
hinter ihr stehenden Milchstraße nicht, denn auf einen
Kubikzentimeter Raum kamen nicht mehr als zwei oder drei Atome.
***
Im Schiff war gerade Ruheperiode, als es passierte. Morrison
registrierte einen leichten Andruck zur Flugrichtung hin, als würde
das Schiff ohne Antigravpolster stark abgebremst. Das war natürlich
unmöglich, denn niemand hatte die Bremstriebwerke eingeschaltet,
und die Andruckabsorber waren ständig aktiviert. Trotzdem war
der Andruck vorhanden.
Der energetische Schutzschirm, der kleinere Meteoriten zerstörte,
bevor sie auf die Schiffshülle prallten, glühte plötzlich
grell auf. An der Kontrolltafel schlugen einige Zeiger hektisch aus,
als wollten sie Alarm geben. Irgendwo schrillte eine Glocke und
weißblaue Funken sprangen knisternd von einer Schaltanlage zur
anderen.
Morrison beugte sich zurück, obwohl eine unsichtbare Kraft
ihn daran zu hindern suchte. Seine Hand erreichte nur mühsam den
Alarmknopf, den er hastig eindrückte, ehe der unbegreifliche
Andruck ihn wieder nach vom warf, diesmal heftiger als beim ersten
Mal.
Die Tür zur Funkzentrale sprang auf. Jacques Belmont kam auf
allen vieren
in den Kommandoraum gekrochen. Am Kontrolltisch hielt er sich
fest. Langsam nur konnte er sich aufrichten.
»Was ist denn los?« wollte er wissen und rang nach
Atem. »Bremsmanöver?«
Morrison schüttelte den Kopf und deutete auf den
Panoramaschirm.
»Nein! Ich weiß nicht!«
Der Andruck ließ merklich nach, als sich die Antigravpolster
endgültig stabilisierten. Der energetische Schutzschirm glühte
weiter. Er mußte auf ein unsichtbares Hindernis getroffen sein,
das er nun vergaste. Zum Glück konnte es sich nur um ein sehr
dünnes Medium handeln, sonst existierte die EX-724 schon längst
nicht mehr.
Der Interkomschirm leuchtete auf.
Gott sei Dank! Das also funktionierte noch.
»Captain! Was ist passiert?«
Das war der Kommandant, Major Grabner.
»Unerklärlich, Kommandant! Starker Bremsvorgang durch
Einfluß von außen! Kurzschluß in zwei
Schaltanlagen. Schirm hält.«
»Bin gleich da! Achten Sie auf weitere Defekte.«
Der Bildschirm wurde dunkel.
Die EX-724 hatte Glück gehabt; sie hatte die
Molekülansammlung nur am Rand gestreift und war wieder aus ihr
heraus, ehe die Ursache des plötzlichen Bremsmanövers
geklärt werden konnte. Als Grabner in der Kommandozentrale
eintraf, war alles schon wieder vorbei.
Morrison deutete auf die Instrumente.
»Nur noch 87,55 Prozent LG - wie ist das möglich?«
»Wollte ich Sie auch fragen. Was ist geschehen?«
Morrison versuchte, den Hergang der Ereignisse zu rekonstruieren.
Er betonte, daß die Ursache des neuerlichen Phänomens auf
keinen Fall im Schiff oder beim Antrieb zu suchen sei. Es könne
sich nur um einen äußeren Einfluß handeln, der
vorerst noch nicht zu erklären sei. Magnetische Kraftfelder,
Gravitationslinien zwischen den Galaxien, ein Zeitfeld - lieber
Himmel! Was sonst noch? Er, Morrison, wisse es wirklich nicht.
Grabner hatte Verständnis für die Erregung seines
Zweiten Offiziers und begriff seine Reaktion. Er setzte sich.
»Nun halten Sie mal die Luft an, Morrison! Niemand macht
Ihnen einen Vorwurf, und es ist ja auch nichts geschehen. Sehen Sie
nur! Das Aufleuchten am Bug des Energieschirms wird schwächer.
Die Gefahr - wenn man es eine Gefahr nennen will - läßt
bereits nach. Wir können jederzeit wieder auf LG beschleunigen;
kein Problem. An sich könnte es uns absolut egal sein, was die
Ursache für den Bremsvorgang war, aber wir wollen versuchen, ihn
herauszufinden - und wenn das nur geschieht, um Sie zu beruhigen und
zu beweisen, daß Sie keine Schuld tragen. Der Energieschirm
glühte auf! Das bedeutet, daß er ein Hindernis traf und es
energetisch vernichtete. Sie haben aber kein Hindernis gesehen, also
muß es unsichtbar gewesen sein. Materie also, deren Verteilung
im Vakuum so gering ist, daß das menschliche Auge und selbst
die Instrumente sie nicht wahrnahmen. Sehen Sie, mein Lieber, im
Grunde genommen ist Ihr Problem überhaupt kein Problem. Es löst
sich von selbst. Viel problematischer finde ich es,
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