PR TB 086 Feldzug Der Morder
Herden wurden geschlachtet. Unser Weg
wurde wieder von Rauch, Diebstahl und Feuer gekennzeichnet. Aber es
schien mir wie das Zucken eines verendenden Raubtieres zu sein, das
mit Krallen um sich schlug und, sterbend, tiefe Wunden verursachte.
Der lange Ritt nach Norden ging weiter.
***
Wochen später:
Skitay und ich standen an der Kante des Felsabsturzes. Vor uns lag
das Land, das von der oberen Danubia von Westen nach Osten
durchflossen wurde. Norikum sagten sie dazu. Vier Tage hinter uns war
Attila, vor uns lag ein schönes, bergiges Land voller Wälder
und Äcker. Ich konnte keine Straßen oder Brücken
sehen, aber dies war unsere Aufgabe. Wir suchten den Weg.
»Von hier ab werden wir nach Osten reiten«, sagte
Skitay. »Ich bin müde.«
Ich schaute ihn überrascht an.
»Müde?«
»Zuviel gekämpft, zuviel Frauen, zu lange geritten. Wir
alle. Wir machen nur noch etwas Beute, dann ruhen wir uns aus.
Lange«, sagte er und ließ die Schultern sinken. Ich wußte
es besser. Attila hatte kurz vor der Abreise der römischen
Gesandten mit mir gesprochen und versichert, daß er die
endgültige, vernichtende Auseinandersetzung mit Ostrom nur
aufgeschoben hatte. Ein Kurier mit einer Botschaft war zu Marcianus
unterwegs; in dem Schreiben drohte Attila mit der totalen Verwüstung
der oströmischen Provinzen, falls der Tribut an ihn nicht in
voller Höhe entrichtet werden würde.
»Skitay«, sagte ich nachdenklich, »die Linien
des Lebens verlaufen niemals gerade. Sie sind wie Wellen. Eines Tages
wird die Macht der hunnischen Heere gebrochen sein. Die ganze Welt
ist zusammengeschlossen und wartet nur auf die Gelegenheit, euch alle
zu vernichten. Dann, hoffentlich, werde ich nicht mehr bei euch
sein.«
Er fragte:
»Warum bist du eigentlich bei uns?«
»Das wirst du eines Tages begreifen. Vielleicht. Meist
sterben die Menschen elend, die im Ruhm gelebt haben. Oder umgekehrt.
Weißt du, daß Attila ein schwerkranker Mann ist?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein«,sagte er. »Und selbst wenn er stirbt;
Ellac und Dengizich und endlich Ernac und Attilas andere Söhne
werden sein Erbe weiterführen.«
Ich lachte laut, während wir den steilen Grat verließen
und unserer Spähertruppe nachritten. Ich sagte:
»Viele Söhne. Sie werden uneinig werden. Eine Lanze,
die in zehn Stücke gebrochen ist, kann nichts mehr als Waffe
taugen. Sie werden Attilas Macht brechen wie diese Lanze - glaube
mir. Ich weiß es besser.«
Er ritt ein bißchen schneller und sagte laut:
»Ich bin nicht zum Denken da. Ich bin Krieger.«
Von den siebzig Tagen, die ich mir als Ziel gesteckt hatte, waren
zwanzig vergangen. Nach weiteren zwanzig Tagen sah ich Attila zum
drittenmal.
Unsere Wege kreuzten sich am Ufer der Danubia.
Hinter uns, Tage entfernt, lag das zerstörte Augusta
vindelicorum. Der Heerzug schlich müde durch leeres Gebiet in
Richtung auf Pannonien. Attila ritt an der Spitze.
»He, Attila!«
Wir sprengten auf ihn zu; es war das drittemal, daß ich ihn
traf. Wieder sondierte ich die Gelegenheit. Er war von seinen Männern
umgeben und er sah sehr krank aus. Mein Bedauern ließ mich
zögern, und mein Extrasinn
meldete sich:
Er kann nichts mehr anrichten. Er wird bald sterben. Du brauchst
ihn nicht mehr zu ermorden!
»Atlan! Wir reiten zusammen?«
»Nein«, sagte ich. »Seit mehr als eineinhalb
Jahren reite ich für dich. Bis jetzt habe ich, außer
einigen Pokalen voller Wein, nicht ein Gramm Gold gesehen, keinen
einzigen Satz des Dankes von dir gehört. Womit belohnst du
gemeinhin die Dienste deiner besten Späher?«
Er antwortete nicht.
»Damit etwa«, fragte ich, »daß ich noch am
Leben bin?«
Er starrte mich lange an. Sein Blick wurde düster und
schließlich sagte er:
»Was willst du haben?«
»Was würdest du mir geben?« fragte ich zurück.
Er hielt sein Pferd an und deutete nach Norden. Dann sagte er
stoßweise, scharf betont und sehr ernst:
»Ich werde heiraten. Ich habe viele Frauen und ein Zug
meiner Krieger dort oben im Norden hat ein Weib für mich
gefunden. Ildico ist von großer Schönheit; eine schlanke,
weißhäutige Fränkin. Sie wird mein Weib werden. Wir
alle werden in meinem Hauptlager ein riesiges Fest feiern und ich
werde mich mit ihr vermählen. Sei dann wieder in meiner Nähe
und ich werde dich so beschenken, daß dein Herz keine Wünsche
mehr haben wird. Das ist mein Wort - so wird es geschehen!«
Ich erkundigte mich brutal:
»Und was bekomme ich, wenn du vor der gewaltigen Hochzeit
stirbst?
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