PR TB 095 Die Spur Des Gehetzten
auf den Tischen, einige Feuer, die inmitten des Platzes
brannten, verwandelten diesen Ausschnitt von Almeria in eine
lichterfüllte Zone. Die Wedel der Palmen, die von den Mauren
gepflanzt worden waren, knatterten in einem leichten Wind. Der Himmel
war völlig klar, und ich erkannte zwischen den Rauschschwaden
die fernen Sterne, die Leuchtfeuer meiner drängenden Gedanken an
ARKON.
»Hier, trinkt! Das vertreibt die Müdigkeit!«
Ein Junge drückte mir einen großen Becher duftender
Sangria in die Hand, und ich spähte unablässig, während
ich Fragen beantwortete, zwischen den Leuten hindurch. Wie kam es,
daß jener Fremde keine Spuren hinterließ? Auch er mußte
über getarnte Gegenstände und Waffen für das Überleben
verfügen - Alexandra und auf alle Fälle ich würden die
Tarnung bemerken, wenn auch sonst niemand.
»Danke!« sagte ich und trank.
Mitten in der Nacht hörte ich Schritte auf dem Korridor. Ich
nahm Alexandras Arm von meinen Hüften, richtete mich auf und
lauschte. Die Schritte kamen näher, verhielten kurz vor unserem
Zimmer, entfernten sich dann wieder. Schließlich kamen sie
zurück, Türen knatterten, dann hörte ich, wie jemand
die Treppe nach unten nahm. Einige Zeit später wieherten einige
Pferde, dann vernahm ich: die Geräusche von Hufen auf dem
zerstörten Pflaster des Platzes. Ich fiel wieder
zurück in den Schlaf und verdrängte vorübergehend,
was mich hätte normalerweise stutzig machen müssen. Am
nächsten Morgen setzte sich der Wirt, frisch gekleidet und
rasiert, an unseren Tisch.
»Herr«, sagte er leise, »ihr sucht den Senior
Concarnedeau?«
»Wenn es der Fremde ist, der vor uns in die Stadt kam - ja,
ich suche ihn.«
Der Wirt machte ein schuldbewußtes Gesicht und murmelte:
»Ich schlief, und nur der Junge hat mit ihm gesprochen. Der
Herr kam spät in der Nacht, zahlte, ging in sein Zimmer und ritt
dann davon. Eines der beiden Pferde war schwer beladen.«
Ich lehnte mich zurück und begann lautlos zu fluchen. Alles
fiel mir wieder ein: die Spur würde schwer zu verfolgen sein.
Die Frage des Mannes riß mich aus meinem düsteren
Gedanken. »Wenn Ihr ihm folgt ... wer wird uns dann helfen?«
Deine Entscheidung wird schwer sein! sagte der Extrasinn.
Ich erwiderte resignierend:
»Ich bleibe hier, bis Almeria von der Pest befreit ist.«
Auf dem Gesicht des Wirtes zeichnete sich eine grenzenlose
Erleichterung ab. Er schlug mit seiner Pranke meine Schulter halb in
Stücke, sprang auf und warf einen Stuhl um. Dann stürzte er
hinaus. Ich hörte durch die offenen Fenster und durch den
Vorhang der Gaststube, wie draußen, gegen sechs Uhr morgens,
die Stadt zögernd erwachte. Wir setzten fort, was wir gestern
angefangen hatten. Eines wurde deutlich: die Kraft der Pest war
gebrochen worden.
»Heute kommen die Menschen freiwillig!« sagte der
Priester. Auch er sah lebendiger aus und zitierte nicht mehr aus der
Geheimen Offenbarung.
*
Wir benutzten die Abfälle und die Kleider der Kranken und
Sterbenden, um mächtige Feuer zu schüren. Auf diesen Feuern
standen riesige Kessel; Wasser kochte. Ich kochte aus Fett, Salz und
alkalischen Substanzen eine primitive Seife. Die Häuser wurden
gereinigt. Die Bauern, die heute viel zahlreicher kamen, wurden
geimpft und entschädigt; der Zustrom frischer Lebensmittel nahm
in den nächsten Tagen schlagartig zu.
Während Zerberus in großen Kreisen sich spiralenförmig
von der Stadt entfernte, um die Spur des Fremden zu finden, jagten
wir Ratten, sengten das Gestrüpp in den Altwassern des Flusses
nieder, impften und behandelten wir pausenlos Gesunde, Kranke und
Angesteckte. Viele starben und wurden schnell aus der Stadt gebracht.
Ein paar der Kranken gesundeten - und das gab wieder einen neuen
Schub von Lebensmut. Ein Gerücht mußte sich mit
verblüffender Eile herumgesprochen haben, denn eine maurische
Patrouille kam zurück und half uns, nachdem sie sich überzeugt
hatte, daß wir nur gegen die Pest kämpften.
Wir kochten in großen Kesseln kräftigende Suppen.
Die ersten Boote fuhren aus und kamen mit reicher Beute an Fischen
zurück; in den nächsten Tagen gab es gegrillten Fisch mit
Olivenöl. Ochsen wurden geschlachtet. Würste, Käseräder
und Schinken tauchten aus geheimnisvollen Verstecken auf, desgleichen
Weinfässer. Die Andachten in der Kirche fanden mehr und mehr
Gläubige. Die Tage vergingen schnell, alle arbeiteten zusammen.
Die Furcht war besiegt. jeder half jedem. Die Handwerker begannen zu
arbeiten und besserten
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