PR TB 100 Der Kontinent Des Krieges
mir
einen Schlupfwinkel und fand ihn dort, wo vor einiger Zeit ein
Geschütz in Stellung gebracht worden war. Der einzige Raum, in
dem man wohnen konnte. Wieder wartete ich. Kurz darauf kam der Vogel
und brachte die Satteltaschen und den Sattel, und gegen Abend waren
wir wieder zusammen. Ich machte ein kleines Feuer, kochte und briet
etwas, knüpfte eine Hängematte auf und überließ
die Wache und das Verjagen der Ratten dem Wolf. Beim ersten
Sonnenstrahl wachte ich auf und machte mich auf den Weg.
Hound begleitete mich.
Selbst ein Blinder hätte Fünfstetten nicht verfehlen
können. Ein kleiner Wald aus Zeltstangen, viele weidende Pferde,
Trom -meln und Marketenderwagen wiesen mir den Weg. Ein helles
Trompetensignal ertönte. Ich erreichte den Ort und ging langsam
weiter. Überall sah ich die Spuren der Verwüstung.
Ein kleines Heer der Kaiserlichen lagerte hier.
Langsam und wachsam ging ich weiter. Nur wenige der Häuser
waren neu oder wieder aufgebaut worden. Sie bestanden meistenteils
aus Holz. Auf den Schwellen saßen hungernde und frierende
Kinder, große Augen blickten mir nach. Alles an mir schien so
musste ich bemerken, zu neu, zu gepflegt zu sein - ich erweckte den
Neid der Menschen. Magere Köter strichen umher und zogen davon,
den Schwanz zwischen den Beinen, als Hound leise grollte und seine
silbernen Augen auf die streunenden Tiere richtete. Ich wich einer
Pfütze von Dreckwasser aus und näherte mich dem größten
Zelt. Vor mir stob ein Kurierreiter durch einen Gang zwischen den
Zelten. Es roch nach Rauch und nach dünner Kohlsuppe. Jemand
fluchte, ein Mädchen
kicherte. Der Geruch und die eigentümliche Geräuschkulisse
des Lagers nahmen mich auf. Ich schätzte die Zahl der Zelte auf
hundert, die der Männer auf über fünfhundert. Neben
dem Vordach des Kommandantenzeltes blieb ich stehen, zog den weichen
Hut mit der langen Feder und sagte zu dem Posten: Jch suche den
kaiserlichen Anführer, Kamerad.“
Der Soldat umklammerte frierend seine Hellebarde, sah mich lange
an und bemerkte meinen prächtigen Aufzug. Dann sagte der Mann
mit schmalen Lippen: ,Werth und Mercy sind nicht da. Wir warten auf
sie. Hier befehligt Pistorius!“
,Meldet mich an!“ sagte ich.
Der Soldat deutete auf Hound und murmelte: ,Lasst Euren Hund
draußen - Pistorius mag keine Hunde im Zelt!“
Ich lächelte. ,Es ist ein Wolf, und ich werde ihn nicht
mitnehmen.“
Einverstanden!“
Einige Soldaten betrachteten mich stumm und fast feindselig, wie
es schien. Ich wartete, während der Soldat den Vorhang zu
-rückschlug und ins Zelt hineinging. Ich hörte die Stimme
des Soldaten und eine andere, die dunkel und sehr heiser war. Nach
einigen Sekunden kam der Soldat wieder und hielt den Zeltvorhang zur
Seite. Er nickte, verbeugte sich knapp und deutete nach innen. Ich
trat ein, bückte mich und sah mich zwei Männern gegenüber.
Sie sahen mir schweigend entgegen; sie saßen hinter einem
Tisch, der mit Karten übersät war. Alle Menschen, die ich
bisher gesehen hatte, schienen zu hungern. Ich wusste, dass alle
Städte und Dörfer, die im Bereich der Heeresbewegungen
lagen, ausgeplündert waren. Nur wenige Weiler und Siedlungen,
die weit abgelegen und versteckt waren, entgingen diesem Schicksal.
Ich kannte dank meiner Karten drei solcher Flecken und würde
mich ihrer zu bedienen wissen.
Ich schwenkte den Hut in einer höflichen Geste, legte ihn auf
einen aufgeklappten Feldstuhl und sagte: ,Meine Herren! Ich bin Adlan
d’Arcogne, geborener Franzose. Ich bin Stratege und Fachmann
für Artillerie, und ich habe einen Schutzbrief des Kaisers. Ich
brauche Eure Unterstützung.“
Der dunkelhaarige; Mann stand auf, warf einen Stock auf die
knisternden Karten und streckte mir die Hand entgegen.
,Ein Franzose im Dienst der Habsburger?“ fragte er erstaunt.
Seine Stimme stand im Gegensatz zu seinem Aussehen. Er war
mittelgroß, schlank in den Hüften, besaß ein
schmales und faltiges Gesicht und breite Schultern. An seinem rechten
Zeigefinger steckte ein riesiger goldener Ring.
,Hier!“ sagte ich, griff in die Außentasche und zog
das Do kument hervor. Ich hatte viele solche Schutzbriefe,
ausgestellt und unterfertigt von allen wichtigen Männern, sogar
von Wallenstein. Schweigend las Pistorius den Brief, gab ihn dann
weiter an seinen Adjutanten. Er nickte, wies auf einen Stuhl und
sagte leise: ,Was braucht Ihr, d’Arcogne?“
Ich hob die Schultern, sah mich schnell im Raum um und entdeckte
nicht viel, was mein Interesse fesseln
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