PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
noch bedeutend, aber ich besitze einen
lauteren Charakter«, sagte ich laut, um mich zu ärgern.
Ich war zu lange Zeit allein gewesen; ich dürstete förmlich
nach einem Gespräch, nach der Nähe von Menschen. Die
Hufgeräusche wurden lauter, und ich trat aus dem Schutz des
Stammes heraus.
Dreißig Meter schräg unterhalb meines Standortes ritt
ein Mann vorbei, der einen Sumibogen und ein Schwert an der Hüfte
trug. Das Pferd war ein Schecke, der recht alt und abgemagert aussah.
»Meister des Bogens!« rief ich und hob die Hand.
Der Mann schien im Sattel geschlafen zu haben, denn er schreckte
hoch und griff nach dem Schwert.
»Es ist unwürdig, einen Schlafenden zu wecken, dessen
Verstand im Hirn des Pferdes ist!« rief er zurück und zog
am Zügel. »Was willst du, Mann der Pfeile?«
»Ich sterbe, wenn ich nicht ein gutes Gespräch führen
kann!« rief ich. Der Mann, - war es ein Samurai? wandte sich in
meine Richtung und dirigierte das Pferd, das ebenso müde war wie
er, den leichten Hang hinauf.
»Ich sterbe, wenn ich nicht jemanden finde, der mir eine
Handvoll Reis gibt«, sagte er. »Hast du Reis, Fremder?«
»Beherrschst du die Regeln eines guten Gespräches?«
fragte ich zurück und lachte. Sein Gesicht zeigte einen
verdrossenen Ausdruck. Es war ein altes Gesicht, das ein Maß an
persönlicher, natürlicher Klugheit zeigte, das
mich erstaunte.
»Ja, aber erst nach dem Essen!« sagte er.
Wir starrten uns an. Ich musterte jeden Zoll des Mannes und des
Pferdes und spähte nach Merkmalen aus, die mir mehr verraten
konnten, von denen ich Informationen erhielt. Nicht viel zu holen.
Seine Augen blickten kühl und analytisch. Er hingegen schien
meine Körpergröße anzustaunen. Er schwang sich
ächzend aus dem Sattel, schob das Schwert zurück und sah
mich aus großen, dunklen Augen an.
»Herr«, sagte er. »Du bist ein Fremder?«
Ich erwiderte:
»Sie nennen mich den schweigenden Wanderer, der nach
Weisheit und einem Freund sucht.«
Wir verneigten uns voreinander, und der Mann starrte das Bündel
an. Ich sagte halblaut:
»Der Edle ist, sagt das Kung-tse, in der Armut nicht
unwürdig!«
Müde und hungrig knurrte der fremde Reiter:
»Und er ist auch im Reichtum nicht hochmütig. Ich
hoffe, du hast deinen Magen gut gefüllt? Es ist eine schlechte
Gegend für Samurai! Ich fürchte, es bleibt mir nichts
anderes übrig, als seppuku zu begehen.«
Er meinte die abartige Form, in der ein Samurai aus dem Leben
schied: er öffnete sich mit dem Schwert die Bauchhöhle und
verblutete mit hervorquellenden Gedärmen. Ich hob die Hand,
legte Bogen und Pfeile auf die Erde und sagte:
»Es ist nicht viel, was ich habe, aber ich teile es gern.«
Während ich ein Bündel öffnete, Reiskuchen und
Fleisch, Fett und Obst hervorholte, sagte der Fremde:
»Noch nie hast du so billig einen Freund gefunden.
Allerdings wird ein halbverhungerter Freund keinen rechten Kampf
fechten können.«
»Besser ein verhungerter Freund als keiner«, sagte
ich.
Wir setzten uns auf meine Decke. Ich sah zu, wie der Fremde
schweigend und fast zu hastig aß; hin und wieder erinnerte er
sich an seine Würde und kaute langsamer. Als er mehr als ein
Drittel meiner Vorräte gegessen hatte, bot ich ihm den Reiswein
an. Er nahm einen Schluck, der drei Schlangen hätte töten
können, wischte sich über die Lippen und sagte:
»Jetzt hast du einen Freund. Wohin gehst du?« Er sah
plötzlich viel lebendiger aus.
Ich deutete nach Südwesten und erwiderte:
»Zum Einsiedler im Tempelchen. Ich habe viele Fragen, und
ich suche viele Dinge. Unter anderem einen bestimmten Mann. Und viele
Erkenntnisse.«
Der andere sagte:
»Ich bin Samurai. Yodoya Mootori heiße ich. Ich bin
einer der armen, wandernden Samurai ohne Familie, ohne Herrn, ohne
Amt in der Tokugawa-Regierung. Ich suche nicht nur einen Herrn,
sondern auch vieles andere. Sage ein Wort, und ich verlasse dich
wieder, aber sage ein anderes Wort, und ich begleite dich.«
Ich sagte halblaut:
»Ich bitte dich, mich zum Einsiedler zu begleiten. Ich bin
begierig, die Weisheit des Konfuzius zu hören. Ist dies das
andere Wort, Yodoya?«
Er nickte.
»Ich begleite dich. Wenn die Bauern unseren ärmlichen
Aufzug sehen, jagen sie uns von den Feldern.«
Ich deutete auf den Bogen und sagte:
»Nicht so leicht, denn ich kann mich wehren.«
Als ich aufschaute, sah ich, daß er eingeschlafen war. Er
hockte auf dem Boden, hatte die Beine unter sich gekreuzt und schlief
mit einem satten, zufriedenen
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