PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
Tempel?«
fragte Mootori nach einer Weile.
Ich erwiderte:
»Ein Gelübde. Ich habe einen Gegner verfehlt, und ich
suche ihn überall hier, und er hat Aussehen und Namen
gewechselt. Wenn ich ihn finde, werden wir entweder Freunde, oder wir
töten einander.«
»Alles ist rätselhaft, aber am rätselhaftesten ist
die verwundete Seele des Menschen«, pflichtete mir der Samurai
bei.
»So ist es!« sagte ich.
Wir erreichten am Abend die kleine Stadt. Ich hatte sie auf den
Karten längst erwartet. Sie hieß Honganji und war eine
runde, mauerbewehrte Anlage zwischen Feldern, Hügeln und einem
Wasserlauf, der sich wie eine zornige Schlange krümmte. Etwa
fünftausend Menschen wohnten hier, nicht mehr. Eine Tagesreise
jenseits der Stadt lag der Tempel mit dem weisen Mann. Nectrion war
durch diese Stadt gekommen, hatte Einkäufe getätigt und
hatte sich schließlich im Hinterland bei einem Bauern verdingt.
Die Spur lief aus.
»Bruder zweier Schwerter«, sagte Yodoya. »Mit
deinem Geld können wir Zimmer in einem ryokan, einem Gasthaus,
nehmen. Ich werde dir, finde ich Arbeit, den Dienst am Freund
vergelten, wie es unsereinem angemessen ist.«
Ich lachte und erwiderte:
»Wir steigen im besten Haus ab. Die Ehre des Schenkenden
wächst mit jedem Kupferstück.«
»Und der Beschenkte krümmt sich weiter dem Boden
entgegen. Er wird reich, aber zum Wurm.«
Ich konterte trocken:
»Ich hatte nicht vor, Bruder, dich beschenken zu lassen, bis
du zusammenbrichst vor Gold.«
Wir lachten uns an. Die Persönlichkeit dieses Mannes erschloß
sich mir nur langsam, aber zweifellos steckte mehr in Mootori, als
ich im Augenblick ahnte. Wir erhielten Einlaß, fragten nach dem
ryokan und kamen schließlich an einen kleinen Park, dessen
Anblick mich entzückte. Dies war ein Gasthaus nur für kuge.
Ich verlangte Platz für das Pferd, zwei Zimmer, und alle
Dienste, die man uns hier erweisen konnte. Mir war, als träte
ich in jene ganz andere Welt ein. Zuerst fielen mir die Ruhe auf und
die Gemessenheit der Bewegungen. Aber alle Menschen, die mich
anblickten, hatten ihr Erstaunen über meine Körpergröße
nicht verbergen können. Mootori sagte:
»Wir werden gemeinsam essen, Bruder?«
»Ja. Und ich habe abermals viele Fragen an dich, Yodoya.«
Der Park und der Garten des Gasthauses gingen ineinander über.
Auch hier war die Natur manipuliert worden. Eine Sandfläche, in
der mehrere, verschieden große Steine unterschiedlicher Färbung
und Äderung lagen, zeigte die Parallelspuren von sorgfältiger
Rechenarbeit, die dekorativen Charakter hatte. In einem offenen
Rechteck gliederten sich um einen runden Teich mit Seerosen die
einzelnen Zimmer.
»Mein Zimmer!« sagte ich.
Ein Diener führte Yodoya und mich in die Zimmer. Wir kamen
durch einen Gang, der mit einem Reisstrohteppich ausgelegt war.
Kupferne Holzkohlenschalen standen da, niedrige Tischchen mit
Gebinden sorgfältig gesteckter Blumen und Reiser. Bilder an den
Wänden zeigten Kraniche, Wildgänse und Kirschbaumzweige mit
Blüten. Ich betrat mein Zimmer, einen Raum, dessen Grundmaß
aus dem Vielfachen eines Rasters bestand, der so groß war wie
eine Matte. Der Diener setzte das Gepäck ab, verbeugte sich
mehrmals und schloß die Holztür.
Ich war allein und sah mich um.
Nur die wichtigsten Einrichtungsstücke waren sichtbar. Alles
atmete den Geruch von Frische und Sauberkeit aus. Ich zog mich
langsam aus, wickelte Teile des Gepäckes aus und sah hinter den
Türen und Vorhängen nach. Ich fand ein Bad, einfache
Schränke, verschiebbare Flächen aus schwarzem Holz und
milchigem Reis-Wachs-Papier. Kein Stuhl, kein Sessel, nur ein dick
mit Reisstrohmatten ausgelegter Boden, auf dem es sich bequem gehen
ließ. Ich legte mich auf eine Matte, bettete meinen Kopf auf
das Nackenkissen und schloß die Augen.
Ich mußte mich also in einen Samurai verwandeln. Das war
nicht besonders schwierig, aber ich ahnte, daß ich die damit
verbundenen Regeln und Hindernisse ganz entscheidend unterschätzte.
Ich schlief eine Stunde, anschließend wuschen mich die
Dienerinnen. Ich ließ mir einen Kimono aus meinem Gepäck
bringen, zog mich an und traf mich mit Mootori im Speiseraum des
Gasthauses.
Wir saßen uns an einem niedrigen Tisch gegenüber; lange
hatte ich das Unterschlagen der Beine üben müssen, und
selbst jetzt schliefen mir die Gliedmaßen manchmal ein. Wir
aßen und tranken langsam und schweigend, dann machte ich meinen
Vorschlag:
»Wir werden jetzt zu den Handwerkern gehen«, sagte
ich.
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