PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
einem metallenen Rechen, der über einem
Glutkorb hing; Kupfer mit der Holzkohle, die von Köhlern
stammte. Sie stellten die Kohle inmitten der Wälder auf der
Insel her. Es war der Abend des fünften Tages.
»Erstens«, sagte der alte Mann, »glaubt dir
heute niemand, daß du ein Samurai bist. Was deinen Reichtum
betrifft, deine klugen Gedanken, deine Kraft und Klugheit der Sprache
- ja. Aber du kennst nicht die Sitten dieser Kaste.«
»Richtig!« Ich nickte.
Jedes Wort war wichtig. Yodoya, der jetzt auch das Geheimnis
meiner Verfolgungsjagd kannte, mischte sich ehrfurchtsvoll in das
Gespräch.
»In zehn Tagen wirst du sie kennen, wenn ich dich
unterweise«, sagte er leise. »Ob du sie richtig begreifst
und anwendest, ist deine Sache. Nur ein Kluger vermag dies.«
Wir hoben die Schalen mit dem würzig riechenden Reisschnaps.
»Dann«, sagte der Alte, und sein weißer Bart
zitterte dabei etwas, »mußt
du jemanden haben, der dich anstellt, um die Ehre seines Hauses zu
schützen.«
Es war das zweitemal, daß ich Yodoya Mootori lächeln
sah.
»Der Überfall war genau das, was wir brauchten«,
sagte er leise und verbeugte sich aus einem mir unerfindlichen Grund.
»Als ich Meldung über die Räuber machte, schickte es
sich, daß auch ein Herr Daimyo Shokokuyij anwesend war. Er
suchte drei Männer, die über seinen Besitz wachen. Er ist
fett und habgierig, aber er will uns ronin bezahlen!«
»Er sucht Samurai?« fragte ich.
»Ja. Und er bat dich, ohne dich zu kennen, und mich, dessen
Beute er sah, zu sich in die Burg. Du wirst also gut untergebracht
werden«, sagte Yodoya.
Der weise Mann sagte:
»Yamaga Soko, einer der drei größten Samurai
unter den Tokugawa, hat den Kodex der Samurai, den >Bushido<,
den Pfad des Kriegers, geschrieben. Und nahe der Burg des Herrn
Shokokuyij ist eine Zen-Schule. Dort lehrt mein Freund. Du siehst,
Ataya, daß sich die Dinge immer wieder wenden und schütteln,
und, siehst du sie in Ruhe an, so ist das Muster ein Zeichen der
Freude!«
Ich sah, daß meine Finger zitterten, als ich einen Schluck
Reisschnaps eingoß. Ich begriff augenblicklich meine große
Chance: Für den neuen Herrn war ich ein Samurai. Wenn ich Glück
hatte, brauchte ich auch nicht zu kämpfen. Aber während der
Zeit, die ich dort verbrachte, lernte ich, was ich brauchte - den
»Bushido« ebenso wie das Zen-Bogenschießen und den
Schwertkampf. Und Yodoya würde mich unerbittlich schulen. Dann
erst konnte ich wagen, mich dem Fremden von den Sternen zu nähern.
Aber, welche Rolle hatte er inzwischen eingenommen? Ich wußte
nur ungefähr, wo er war.
»Ein Zeichen der Freude!« wiederholte ich. »Es
ist wirklich so. Wie gut, daß ich dich getroffen habe, Freund
Yodoya.«
Er nickte nur. Seit er meine Probleme kannte, verstanden wir uns
weit besser. In den Tagen, in denen wir den Brennstoffvorrat des
alten Mannes ergänzt, seinen Garten gepflegt, Reis angesät,
den Zierteich gesäubert und einige Quadratmeter Boden
umgebrochen hatten, seit das Dach geflickt, das Holz neu gefirnißt
und die Reispapierfenster neu ausgefüllt waren, hatte ich
abermals viel gelernt; ich sah ein, daß ich, würde ich
weiterhin allein reisen, tatsächlich mit meinem Leben spielte.
Und ich würde immer wieder gefunden werden, wenn ich floh -
jeder Samurai konnte mein letzter Gegner sein, weil ich nicht im
mindesten begriff, wann ich ihn tödlich kränkte.
»Ich werde dir wie ein sehr strenger Vater sein«,
versprach er. »Und trotzdem stehe ich tief in deiner Schuld.«
»Meine Schuld wird so hoch wie der Fuji sein, der
feuerspeiende Berg mit der Schneekappe, wenn ich den ersten
Scheinkampf gegen dich führe!« versprach ich hingegen.
Yodoya lachte kurz auf und schob den Tisch von sich weg. Wir waren
angenehm satt und gut erholt.
Katayama strich seinen Bart und sagte halblaut:
»Ja. Es ist glückliche Fügung. Aber du wirst einen
schweren Weg vor dir haben, Freund Ataya. Ein Samurai lernt sein
ganzes Leben. Merke also: zuerst der Dienst bei Herrn Shokokuyij,
dann die Zen-Bogenschule, dann die Regeln des Schwertkampfes und die
des >Bushido<. Und dann wirst du auch deinen seltsamen Feind
finden.«
Ich erwiderte langsam:
»Es geht nicht anders, und ich werde mich freuen, wenn ich
den Brief an den Zen-Lehrer habe.«
»Ich verspreche es!« sagte der Weise.
Während der langen und intensiven Gespräche, in denen
ich viel über die Geschichte des Landes erfuhr und über die
Zeiten und Umstände, die letztlich die herrschenden
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