PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
den
kleinen Zimmern häuslich ein. Ich vergewisserte mich, daß
ich allein und unbeobachtet war und stellte eine Verbindung zu der
mechanischen Möwe her. Auf dem Sichtschirm, dem verkleideten
Spiegel, sah ich die Bilder, die die Linsen des Vogels aufnahmen. Er
suchte ununterbrochen, und schließlich bemerkte ich deutlich,
daß die Möwe nur rund hundertzwanzig Kilometer von meinem
Standort entfernt war. Sie umkreiste einen ähnlichen Besitz wie
den des Herrn Shokokuyij und musterte die Gesichter der Männer.
»Nichts!« knurrte ich und schaltete die Anlage aus. Es
klopfte an die Tür; ich streckte mich aus und rief leise:
»Herein, Yodoya.«
Der Samurai setzte sich neben mein Lager, faßte an den Stoff
des Kimonos, den ich übergeworfen und geschnürt hatte, und
sagte schließlich:
»Wir reiten in zwei Tagen zum Lehrer der Bogenschule. Ich
habe einen Boten losgeschickt.«
»Einverstanden. Bist du mit meinen Fortschritten zufrieden?«
»Bis jetzt, ja. Du hast alles begriffen. In den nächsten
Tagen und Wochen wirst du mehr Übung bekommen.«
Die Einführung des Zen-Gedankens, einer philosophischen
Betrachtungsweise, in das Denken dieses Landes hat die Ausbildung
einer militärischen Disziplin und eines mittelalterlichen
Ritter-Ehrenkodexes gefördert. Im Neukonfuzianischen Einfluß
der Zeit, in der ich hierher
gekommen war, erreichte dieser Kodex seine größte
Strenge. Das Handwerk der Samurai wurde mit einer eisernen Disziplin
und Ausbildung durchgeführt, und vielfältige, sehr
differenzierte Abstufungen des gesellschaftlichen Benehmens waren die
Folge. Ich hatte viel gelernt und mußte noch viel mehr lernen.
Und solange ich Nectrion nicht gefunden hatte, besaß ich dafür
auch genug Zeit.
»Hast du einen Plan? Was unternehmen wir morgen?«
erkundigte ich mich. Ich war müde.
»Morgen früh, nach dem Essen, reiten wir auf
ausgeruhten Pferden los und sehen uns die Grenzen des Besitzes an.«
»Einverstanden. Was für die Pferde gilt, ist für
uns nicht falsch. Ist der dritte Samurai schon eingetroffen?«
Yodoya schüttelte den Kopf.
»Nein. Unsere Mannschaft, kumi besteht nur aus zwei Männern.
Aus dir und dem kumigashira, dem Anführer. Er heißt
Yodoya.«
Ich schlief bald ein und erwachte in der Morgendämmerung.
Ich band den Gürtel des Kimonos fest, schob eine der
Wachspapiertüren auf und blieb auf den glatten Brettern der
Terrasse stehen. Vor mir breitete sich ein Teil des Ziergartens aus.
Ich sah den grauen Schimmer am Himmel, und die Fläche des
Teiches, über dessen engste Stelle eine zierliche Brücke
führte, war unbewegt. Ich lehnte mich an den doppelten
Türpfosten und atmete die kühle Morgenluft des Frühsommers.
Achtung! sagte der Extrasinn.
Ich verlagerte mein Gewicht auf den anderen Fuß und sah mich
um. Was hatte das zu bedeuten? Irgend etwas ging hier vor; ich konnte
nichts feststellen. Dann fiel mein Blick auf den Wasserspiegel des
Teiches. Er zeigte ein wirres Muster von Ringen, die sich schnitten.
Ein Schauer von Blüten war von einem Baum gefallen, obwohl nicht
der mindeste Wind wehte. Ich kniff die Augen zusammen, stieß
mich vom Pfosten ab und blieb stehen.
»Was, bei den ewigen Sternen, ist das?« murmelte ich
verblüfft.
Links neben mir hing eine Zierschale an einer feinen Kette vom
Balken des Dachbinders. Die Schale begann plötzlich zu
schwanken, sie pendelte hin und her. Nun spürte ich die Bewegung
ebenfalls; das Haus erbebte, die Waagrechte verschob sich nach links
und rechts.
Ein Erdbeben! sagte der Logiksektor aufgeregt.
In den nächsten Sekunden schien es, als suche ein unhörbarer
Sturm die Landschaft heim. Die Bäume und Büsche bewegten
sich, schüttelten sich und Blätter regneten zu Boden. Ich
schwankte hin und her und stemmte mich gegen die Bewegung. Das Haus
ächzte und knirschte in allen Verstrebungen. Vereinzelt rissen
die papierenen Fenster. Irgend etwas polterte durch den Korridor. In
den Ställen schrien angstvoll die Pferde. Alle Vögel
erhoben sich kreischend und flatternd in die Luft. Und als ich mich,
an einen Pfeiler geklammert, wieder aufrichtete, summte die Anlage,
die mich mit der Möwe verband.
»Verdammt! Ausgerechnet jetzt!« rief ich.
Die Menschen erwachten und rannten verzweifelt hin und her. Ich
taumelte und stolperte zurück in den Raum, riß meinen
Spiegel aus meinem Fach und schaltete die Verbindung ein.
Das Bild kam.
Ich sah, daß auch dort, wo sich der Fremde befand, die Erde
bebte. Während ich mich verzweifelt bemühte,
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