PR TB 104 Samurai Von Den Sternen
ein
Despot, aber klug und gerissen. Wenn er Zwangsmaßnahmen
gegenüber seinen Bauern anwandte, geschah dies, um den Ertrag zu
steigern. Offensichtlich mußte er alles, was er unternahm,
übertreiben: er galt als großer Liebhaber der Frauen, als
starker Trinker und
Raufbold. Als schließlich eine Tür aufgeschoben wurde,
zwei Männer sich rechts und links davon aufstellten, ließen
wir uns auf die Knie nieder und berührten mit den Ellenbogen den
Boden. Eine rauhe Stimme sagte schroff:
»Steht auf! Ihr also seid die Samurai, die ich bezahlen
werde?«
»So ist es, Herr Shokokuyij«, erwiderte Yodoya. »Wir
sind begierig, in Euren Dienst zu treten. Was ist unsere Arbeit?«
Der dicke, kleine Mann mit den unruhigen Augen und dem grauen Haar
ließ sich auf eine Matte nieder, ordnete sorgfältig die
Falten seines dunklen, prächtigen Kleides, schlug die Füße
übereinander und erwiderte:
»Ihr sollt nicht in der Burg bleiben, sondern durch das Land
reiten. Ich habe viele Bauern, viele Sklaven. Ihr sollt nachsehen, ob
überall Ordnung herrscht. Überall werdet ihr erhalten, was
ihr fordert, und hier im Haus bleiben Zimmer für euch frei. Du,
Riese!«
Ich richtete mich auf und sah in seine Augen.
»Herr?«
»Warum bist du so groß?« fragte er.
»Meine Mutter war größer als mein Vater«,
sagte ich, »und ich wuchs zu lange.«
Der kleine Mann mit der unangenehmen Stimme sagte leise:
»Eine meiner vielen Töchter hat dasselbe Leiden. Sie
wuchs und wuchs, und ich werde nie einen Mann für sie finden!
Nun, vielleicht verkaufe ich sie an die Portugiesen oder an einen
Jesuiten.«
Eine Pause trat ein. Unser Herr starrte uns an, und wir gaben den
Blick zurück. Er wedelte mit einer fetten Hand, deren Finger
voller prächtiger Ringe waren, und deutete auf zwei Kissen vor
ihm.
»Nehmt Platz!« sagte Shokokuyij halblaut. »Ihr
müßt wissen: es sind harte Zeiten. Die Räubertrupps
sind unterwegs, und Piraten vom Festland machen die Küste
unsicher. Und wir liegen in einer Art Krieg mit der Familie des Herrn
Tawaraya, der unser Land begehrt. Davor müßt ihr mich
schützen.«
Ich sagte:
»Wir werden Tag und Nacht unsere Augen offenhalten und
umherspähen. Tawaraya wird nicht wagen, Euer Gebiet
anzugreifen.«
»Du sprichst laut und sicher, riesiger Mann«, sagte
der Schwarzgekleidete. »Du bist noch nicht lange kuge?«
Wahrheitsgemäß entgegnete ich:
»Nein. Aber mein Mut ist groß, und ich lerne von Tag
zu Tag mehr. Ich werde alles tun, um Freude in Euer Gesicht zu
bringen.«
»Das«, sagte Shokokuyij scharf und stand auf, »wird
ziemlich schwierig sein, Ataya Arcohata.«
Er hob die Hand, wir verneigten uns, und er verschwand aus dem
Raum. Die beiden Diener führten uns in unsere Zimmer, und je
mehr wir von der Burganlage sahen, desto mehr erkannten wir, daß
sie praktisch nichts anderes darstellte als eine Fortsetzung der
Landschaft hinter einer massiven Mauer. Wir sahen Teiche und Gärten,
die zur Zierde dienten und zum Anbau von Würzkräutern.
Große Häuser mit schrägen Dächern standen
zwischen
den Bäumen und waren durch hölzerne Stege miteinander
verbunden.
»Dort drüben, dieses kleine Haus - das sind die Räume
für die kumi und den kumigashira. Du bist Yodoya?« fragte
mich ein Diener.
Ich verbeugte mich in der Richtung auf meinen Freund und
erwiderte:
»Ich bin Ataya. Dieser kuge ist Yodoya Mootori, Mann der
zwei Schwerter.«
»Dann bist du der kumigashira, Yodoya«, sagte der
Diener. »Der Herr hat es so bestimmt.«
»Wir gehorchen!« sagte Mootori.
Wir überquerten einen kreisrunden Platz, kamen an einigen
Silberweiden vorbei und an einem Teich, in dem Kraniche stolzierten.
Tauben flogen von Dächern auf. Ein Gong erschallte. Diener und
Dienerinnen bewegten sich geräuschlos durch die Szene. Ich wurde
den Eindruck nicht los, Betrachter eines Bildes zu sein, das mich
nichts anging, von dem ich kein Bestandteil war und niemals sein
würde. Wir kamen in unser Haus, und sämtliches Gepäck,
alle Waffen und die Sättel waren bereits hergeschafft worden.
Dann waren wir allein.
Yodoya sagte leise:
Ȇber den ersten Bachlauf bist du gesprungen, Freund!
Und jetzt kommt, als nächster Sprung, der über einen
breiten Strom.«
Ich lachte und sagte:
»Auch ein Strom ist nichts anderes als Wasser. Ich kann
schwimmen.«
Wir ließen uns baden, einölen und massieren. Die
Dienerinnen kicherten, als sie mich sahen. Dann, nach einer kurzen
Ruhepause, packten wir unseren Besitz aus und richteten uns in
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