PR TB 108 Der Arkonide Und Der Sonnenkönig
ich
eine kleine Gruppe von Männern; drei oder vier waren es, die um
einen Baum herumstanden. Einer hob gerade eine Axt, um einen dicken
Ast zu kappen. Der zweite kämpfte mit dem schlanken Jagdhund.
Ich schoß zweimal, die Axt flog, sich überschlagend, im
weiten Bogen davon. Jetzt überholte mich sieben Meter tiefer die
Kutsche, hinter der Tairi ritt. Jean stand mit federnden Knien auf
dem Kutschbock, hielt sich mit einer Hand fest und feuerte schnell
hintereinander dreimal mit der kleinen Waffe. Dann erkannte er die
Gefahr.
»Schneller!« schrie ich.
Der andere Hund kam in gewaltigen Sprüngen von Norden durch
den Hohlweg. Jean steckte die Waffe zurück, schlug auf die
Pferde ein und löste die Bremse. Schlingernd und schneller
werdend jagte die Kutsche die abschüssige Straße herunter.
Tairi ritt dicht hinter der Achse in einer Wolke aus Staub, Nadeln
und hochgeschleudertem Laub.
»Vorsicht! Der Baum!« brüllte ich aus
Leibeskräften.
Der Mann, mit dem der Hund kämpfte, trat mit dem Fuß
wuchtig gegen den Ast. Der Baum begann an der gekappten Stelle
knirschend zu brechen und neigte sich langsam. Ich zielte und schoß
den Wegelagerer bewußtlos. Jean und Tairi schauten hoch und
erkannten die Gefahr. Der Baumstamm würde genau in den Hohlraum
stürzen, seine Äste mußten die Kutsche zerschmettern
und die Menschen verletzen. Ich saß wie erstarrt im Sattel und
sah zu, wie sich der fallende
äum und die Kutsche einander näherten. Als die ersten
Äste meine Sicht versperrten, sah ich gerade noch, wie Tairi ihr
Pferd spornte und die Kutsche überholte.
Schneller! schrie mein Extrahirn.
Tairi ritt jetzt dicht neben den großen Rädern. Ein
einziger Fehltritt des Pferdes würde ihm die Füße
brechen, das Mädchen abwerfen und unter die Räder
schleudern. Mein Herzschlag raste, der kalte Schweiß brach mir
aus.
Dann krachte der Baum herunter. Seine Zweige peitschten auf das
Dach der Kutsche. Äste krachten und brachen splitternd. Dumpfe
Geräusche waren zu hören. Eine Staubwolke wallte auf. Als
ich mein Pferd herumriß und nach unten starrte, konnte ich
sehen, wie die Kutsche und die Reiterin aus der Wolke hervorschossen
und in die nächste Kurve des Hohlweges hineinrasten.
»Das war verdammt knapp!« murmelte ich und fühlte,
wie meine Knie zu zittern begannen. Ich ritt langsam weiter, bis der
Hang weniger steil wurde und zwang den Rappen dann hinunter auf die
Straße. Wieder schlug ein Blitz in der Nähe ein;
Sekundenbruchteile später schmetterte der Donner. Alle sechs
Pferde scheuten wiehernd.
Der Himmel war inzwischen von einem tiefen, schwarzen Ton.
Unablässig zuckten Blitze. Der
Donner krachte, aber es regnete nicht. Die Kutsche fuhr aus dem
Wald hinaus, näherte sich der Brücke und fuhr auf eine
Scheune mit einem vorspringenden Dach aus Holzschindeln zu. Der
weiße, gekalkte Stein des Sockels leuchtete im Schein der
Blitze auf. Ich überholte das Gespann, ritt scharf an das Pferd
des Mädchens heran und faßte nach der Hand Tairis.
»Ich bin erschrocken«, sagte sie mit einem unsicheren
Lächeln und setzte sich im Sattel zurecht. »Aber dann habe
ich erkannt, was ich zu tun hatte.«
Ihre Stimme war hoch und zitterte. Ich legte den Arm um ihre
Schultern und zwang die Pferde, langsamer zu werden. Die ersten
dicken Tropfen fielen. Überall erschienen kleine Fontänen
aus Staub. Die Kutsche polterte über eine lange, einsame Brücke
aus Stein und Holzbalken und fuhr schräg auf die verlassene
Scheune zu. Genau unter dem Vordach hielt Jean die Pferde an, zog die
Bremse und stieg mit zitternden Gliedern vom Kutschbock herunter.
Ich half dem Mädchen aus dem Sattel und zog Tairi an mich.
»Die Männer, die uns überfallen haben«,
sagte ich leise und nahm ihr den staubbedeckten Hut vom Kopf, »sind
arm und ausgebeutet. Sie rächen sich für die Ausbeutung
durch den Adel, indem sie die Adeligen überfallen.«
Jean hielt die Pferde fest und sah mich an.
»Aber sie überfallen auch andere Menschen, die nicht
adelig sind. Warten wir das Gewitter hier ab?«
»Es wird das beste sein«, entgegnete ich. »Wie
weit ist es noch bis zum Hof derer von Droyden?«
»Etwa zwei Stunden!« sagte Jean.
Wir warteten rund eine Stunde. Zuerst tobte sich das Gewitter
genau über uns aus, dann zog es weiter. Als wir wieder
losfuhren, regnete es nur noch leicht. Wir saßen in der
Kutsche, sahen aus den Fenstern hinaus, und Jean hatte sich in meinen
großen, wasserdichten Mantel mit dem eingewebten Wappen
gehüllt.
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