PR TB 108 Der Arkonide Und Der Sonnenkönig
worden. Ich weiß, Ihr seid auf dem Weg nach
Versailles. Ich möchte Euch einladen, bei mir Aufenthalt zu
nehmen; eine Jagd in meinen Forsten und ein Fest
mit höfischer Musik wird Euch den Aufenthalt verschönern.
Bitte, folgt dem Boten, wenn Ihr nichts Dringenderes zu tun habt.
Willkommen in meinem Schloß zu Sceaux.
Nicolas, Vicomte de Fleury
Ich nickte langsam.
»Wir folgen Euch,junger Mann«, sagte ich. »Ihr
habt noch andere Gäste?«
Meine kurze Freundschaft mit der alten Dame hatte also bereits
erste Früchte getragen. Meine Erzählungen aus einem Land,
das niemand so recht zu kennen schien, mußten eine Empfehlung
gewesen sein.
»Andere und ebenso weitgereiste Gäste!« sagte der
Bote. »In drei Stunden sind wir im Schloß. Bitte, reitet
mir nach!«
Er hob wieder die Hand und ritt voraus. Ich gab Jean genaue
Anweisungen und setzte die Sporen ein. Nach kurzer Zeit wichen wir
von der Straße am rechten Seineufer ab, kamen auf einen nur
schwach angedeuteten Weg, der in verwirrenden Kurven und Schleifen am
Waldrand vorbeiführte. Endlich erweiterte sich die Landschaft,
die Bäume traten zurück und machten einer breiten Schneise
Platz. Sie war dadurch geschaffen worden, daß man vor Jahren
oder noch längerer Zeit sämtliche Bäume bis zu einer
Grenze gefällt und den dazwischenliegenden Streifen eingeebnet
und neu bepflanzt hatte. In der Mitte der Schneise lief das doppelte
Band zweier Kanäle entlang. Im Wasser spiegelte sich die
Vorderfront eines kleinen Schlosses. Es sah ausnehmend idyllisch aus.
Tairi schien hingerissen zu sein. Sie strahlte den Boten und mich
an und erklärte, sie habe noch niemals so etwas Schönes
gesehen.
»Das ist das Schloß des Herrn von Fleury«, rief
der Bote.
»Es sieht wunderbar aus!« stimmte ich zu. Eine gewisse
Beklemmung beschlich mich. Wahrscheinlich würde ich in kurzer
Zeit den Fremden gegenüberstehen. Sie waren in weit geringerem
Maß als ich oder wir belastet: Ihnen schien nicht viel daran
gelegen zu sein, den Planeten zu verlassen.
»Es ist wunderbar! Voller schöner Dinge. Und heute
voller Gäste aus der Umgebung ... die Jagd und das Fest, Herr!«
Wir bogen scharf nach rechts ab und kamen an Blumenbeeten vorbei,
die Farben und Formen von Ornamenten zeigten. Zwischen ihnen befanden
sich Wege aus weißem Kies. Die Natur war hier in einem Maß
umgestaltet und manipuliert worden, das ich nicht ganz begriff: War
es der Versuch, die Natur den erfundenen Stilelementen unterzuordnen?
Oder wollte sich hier eine höhere Ordnung zeigen? Entlang der
Bäume, deren Wipfel ausschließlich gerade Kanten zeigten
wie auch die Hecken, stob eine Gruppe von Reitern.
»Ihr werdet erwartet, Herr!« sagte der Bote laut.
Wir fuhren und ritten durch den Wald, über einige kleine
Brücken, durch eine Ansammlung zierlicher Häuschen, in
denen, wie mir Jean erklärte, die Diener und Gärtner
wohnten, in einem großen Bogen auf den kiesbedeckten Platz vor
dem Portal zu. Eine breite Treppe führte hinauf, von steinernen
Geländern und schmiedeeisernen Leuchten flankiert. Diener
standen da und liefen auf uns zu, als wir herankamen.
»Der Herr von Fleury« sagte der Bote, zog seinen Hut
und deutete auf einen mittelgroßen Mann in der Tracht dieser
Zeit. Er sah aus wie ein Landedelmann, dessen einzige Interessen die
Jagd, das Trinken und die Frauen waren. Nicolas, der Vicomte von
Fleury, kam schräg die breiten weißen Treppen herunter und
eilte aufTairi zu. Er verbeugte sich halb galant, halb hölzern
und sagte:
»Ihr müßtjenes schönste Mädchen sein,
von dem Antoinette mir berichten ließ! Willkommen!«
Sie ließ sich von ihm aus dem Sattel helfen. Diener brachten
Kutsche und Pferde weg. Wir drei standen auf dem weiten Platz vor der
Freitreppe. Langsam sah ich mich um und bemerkte:
»Euer Besitz ist eine Perle der Landschaft, Herr. Ein wahres
Kleinod!«
»Ihr schmeichelt!« erwiderte er lachend. »Meine
Freundin, Antoinette von Droyden, sagte mir, Ihr könntet wilde
und abenteuerliche Geschichten aus dem Land erzählen, aus dem
ihr kommt. Das wird die Kaminrunde bereichern!«
Wir tauschten eine Reihe von Artigkeiten aus, während uns
Fleury zu den weit geöffneten Torflügeln hinaufführte.
Das Schloß war von einer ausgelassenen Meute von Menschen
erfüllt, von überall her hörte ich Flüche und
Gelächter, Klirren von Gläsern und Pokalen, Schritte und
einzelne Takte barocker Musik. Wir traten ein und wurden abermals
begrüßt. Es schien mir, als ob alle die
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