PR TB 110 Formel Des Todes
Schwingung der Barmherzigkeit herauszuhören,
wenn es dies in Wirklichkeit gab. „Sie alle werden sterben. Und
bevor sie sterben, muß ich sie an die Betten fesseln und an die
Ringe in den Wänden. Sonst bringen sie andere und sich selbst
um. Niemand kann sie heilen. Sie kommen hierher, um zu sterben.“
Sie wechselten über ein schmales Bett hinweg einen intensiven
Blick. Zum erstenmal sah Lombardi, daß auch diese Frau
unheilbar krank war. Dies aber war keine Krankheit des Körpers,
sondern eine der Seele, eine tiefe Krisis des Verstandes. Khodaina
hatte zu viele Menschen leiden und sterben sehen, und sie schien an
ihrer Andersartigkeit zu leiden. Dadurch, daß sie nicht krank
war und sich als Helferin außerhalb der Welt dieser
Dahindämmernden bewegte, litt sie.
Die Frau und er selbst waren in gewisser Hinsicht Geschwister.
Maras lächelte scheu und legte seine Hand auf die trockene,
heiße Stirn des kleinen Mädchens, das aufwachte und ihn
aus riesigen Augen anblickte, die aus einem abgezehrten Gesicht
leuchteten.
„Verflucht sei alles!“ flüsterte Maras und drehte
sich um. In seinem Gesicht begann ein Nerv zu zucken.
Er beherrschte sich und lehnte sich an die Mauer. Während er
sich bewegte, stahl sich die Hand des kleinen Mädchens in seine
silbernen Finger. Da lagen sie - alle.
Sie waren erkrankt, weil ihren Körpern die notwendigen
Spurenelemente nicht zugeführt wurden. Eine Art
Beriberi-Krankheit, nur viel weniger einfach zu lösen, zu
heilen. Mit Vitaminspritzen und starken Stößen der
notwendigen Erden, Aschen und Salze hätte man zwei Drittel
dieser Sterbenden retten können.
Aber niemand verstand, warum sie krank geworden waren. Ihr Leben
endete wie die Flamme einer herunterbrennenden Kerze. Aber anstatt
auszulöschen, explodierten sie und starben ... oder starben
explodierend. Von den fünfzig Tagen waren zwölf vergangen.
In kurzer Zeit sammelten sich die Schamanen und stellten ihre Fragen.
An die Antworten glaubten sie wie an die göttliche Erleuchtung -
dieses Band mußte in den Computer eingelegt werden! Leise und
behutsam murmelte Maras Lombardi: „Ich verstehe dich,
Schwester. Du wirst es erleben das alles hört auf. Es wird sich
alles ändern. Und wenn ich es mit meinem Leben bezahle und mit
dem vieler anderer: Ich ändere es.“
Sie schüttelte voll Traurigkeit den Kopf und erwiderte:
„Dann müsstest du vollkommener sein als Dherra, und
dies ist die Vollkommenheit.“
In dieser Sekunde, mitten in dem Saal voller Stöhnender und
Sterbender, begriff Maras endlich, warum Dener Ashmole schon zu
seinen Lebzeiten eine Legende war. Vermutlich hatte er, was immer er
unternahm, stets unter einem innerlichen Druck derjenigen Art
gehandelt, die jetzt Maras erfüllte. Er war wie ein
Turmspringer, der die Sicherheit des federnden Brettes verlassen
hatte und seine Saltos schlug.
Er konnte nur noch vorwärts, nicht mehr zurück.
Bisher war er gegangen ... jetzt würde er rennen und hasten
müssen. Er schwor es sich. Vorsichtig, als halte er einen
winzigen Vogel in den Fingern, nahm er die Hand des Mädchens und
legte sie zurück.
„Ich komme wieder, Kleine“, sagte er leise, um die
anderen nicht zu wecken. „Bald komme ich wieder. Dann wirst du
wieder schwimmen und herumlaufen können wie die anderen.“
Das Mädchen nickte schwach, aber die großen Augen
verfolgten ihn, als er die nächste Treppe nach oben stieg. Kurz
darauf befand er sich in einem kleinen, einfachen Raum neben dem
Dach. Khodaina zündete ein paar Öllampen an und musterte
Maras mit einem Blick voll Intensität.
„Du wirst dein Versprechen kaum halten können!“
sagte sie leise. „Zieh dich aus!“
Er runzelte fragend die Brauen und erwiderte:
„Ich werde alles tun, um es zu halten. Ausziehen?“
Sie lächelte zum erstenmal, seit er sie kennengelernt hatte.
„Ja“, sagte sie. „Ausziehen. Zuerst mußt du
in einem Absud halb gekocht werden, dann muß ich jede Stelle
deiner silbernen Haut dick mit einer Salbe einschmieren, die wir aus
den Staubgefäßen der Palmblüten gewinnen. Für
die Menge, mit der ich dich zu heilen versuche, mußten hundert
Menschen jeweils drei Tage lang ernten.“
Es war absolut unglaubwürdig und sinnlos...
Ein Team von ausgesuchten Fachleuten versuchte jahrelang,
ausgehend von den Mitteln, die es gegen die gewöhnliche Lepra
bereits seit langem gab, ein Mittel gegen die exotische Lepra
stellaris zu finden, und es war ihnen, so schien es, erst jetzt
gelungen. Nach jahrelangen
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