PR TB 116 Söldner Fur Rom
auf dich fallen läßt. Wenn du es nicht
tust, wird es ein anderer tun. Irgendwann fällt jeder Tyrann. Es
mag drei oder vier Jahre dauern, aber eines Tages wird jemand den
Cäsar zwingen, sich umzubringen."
Ich starrte die Steinplatten des Bodens an und zählte die
Abschnitte des dunklen Mooses, das in den Ritzen wuchs.
„Das ist dein Rat, Seneca? Ernsthaft?" fragte ich dann.
„Ja. Ich gab ihn in völliger Offenheit!"
antwortete er glaubwürdig.
„Und warum gibst du mir diesen Rat? Warum gerade mir?"
Er schien zu zögern.
„Ich glaubte bisher, ich erkenne einen Mann, wenn ich ihn
lange genug ansehe. Das scheint sich heute bestätigt zu haben.
Dein Auftreten ist das eines klugen, starken Menschen, der die
Unschlüssigkeiten der Seele besiegt hat. Deine Gesten und deine
Worte sagen mir, daß du Unwesentliches von Wichtigem scheiden
kannst. Du bist stark und klug. Nur ein Mann wie du kann einen
Tyrannen in die Knie zwingen. Auf welche Weise auch immer."
Wir sahen uns in die Augen, dann nickte er aufmunternd.
„Das war die Rede eines törichten alten Mannes, der das
Ende des Weges vor sich sieht. Meine Hoffnung, mit meinen Schriften
die Menschen ein wenig besser zu machen und ihnen die Welt und ihre
verschlungenen Wege aufzuzeigen, hat sich nicht erfüllt."
„Das kann auch ich von mir behaupten!" murmelte ich
düster und dachte an die lange Reihe meiner Enttäuschungen
und Resignationen.
„Und deshalb, weil du Höhen und Tiefen des Lebens
kennst und weißt, wann was zu tun ist, gab ich dir diesen Rat,
befolge ihn oder nicht - es wird nichts an der Geschichte der Welt
ändern."
Ich verneigte mich und griff nach seinem Handgelenk.
„Arria soll dich nach Hause geleiten. Schicke sie gleich
nachher mit einem zuverlässigen Diener zu mir hinüber. Ich
werde, so gut es geht, auf sie aufpassen."
„Ich danke dir, Zenturio Askhan Arcon!" sagte er.
Wir gingen nachdenklich und schweigend den kurzen Weg vom Innern
des Tempels bis zu der Stelle, an der Arria mit dem Pferd wartete.
Verborgen auf einer kleinen Anhöhe sah ich Ktesios auf einem
Säulenrest sitzen.
„Du wirst heute abend bei mir sein und bei Lalaga",
sagte ich. „Bringe mit, was du besitzt, und versuche, ungesehen
zu kommen, ja?"
Seneca lächelte ihr in der typisch wohlwollenden Art alter
Männer zu, fuhr über sein schütteres Haar und sagte:
„Und wenn du von deiner Mission zurück bist, werde ich
mich freuen, dich und alle, die du magst, bei mir im Haus begrüßen
zu dürfen."
„Ich werde es nicht vergessen!" versprach ich.
Langsam stieg ich in den Sattel, warf den gespannten Bogen über
die Schulter und ritt dann los. Nach kurzer Zeit stieß der
Syrer zu mir und ritt eine Weile schweigend neben mir her.
Schließlich, wie nach langem inneren Kampf, sagte er:
„Wenn sie bei Seneca das Mädchen holen wollen, wird er
ihnen sagen müssen, wo sie ist. Auf die Dauer können wir
uns den Befehlen des Cäsars nicht widersetzen. Wo du doch ein so
einflußreicher Mann im Palast bist oder werden wirst."
„In diesem Fall werden wir sagen, sie sei vor Furcht
weggelaufen. Es ist alles nur eine Frage der Geschicklichkeit."
Er nickte, spuckte aus und knurrte:
„Das Gespräch mit dem Weisen hat dich weise werden
lassen, mein Freund. Ich sehe, daß du von dieser Welt noch
immer keine Ahnung hast. Du hättest Stoiker werden sollen."
„Oder Gladiator!" sagte ich und schlug ihm zwischen die
Schulterblätter.
Am nächsten Tag führte man mich zu Nero. Er stand
zusammen mit Marcus Vinicius, der mich haßerfüllt
musterte, vor einem Bauplan. Es war, der Größe und den
Linien nach zu urteilen, ein riesiges viereckiges Haus.
„Aha! Der tapfere listenreiche Söldner Roms!"
sagte Nero und musterte meinen ein wenig auffallenden Anzug. „Ich
hörte, daß deine kleine Truppe schnell und gut
durchgearbeitet ist."
„Schnell und tapfer, Cäsar!" sagte ich. „An
welcher Stelle des Reiches gibt es Unruhen?"
„Diesmal in Sardinia", sagte Marcus. „Dort, wo
die Sklaven schnell sterben."
Ich wußte, was er sagen wollte. Der Abbau von Silbererzen
und anderen Erzen wurde dort unter Bedingungen betrieben, die einem
glatten Todesurteil gleichkamen. Die Verbrecher, ad effodienda
metalla verurteilt. wurden in großen Mengen und in einer
barbarischen Zucht gehalten. Niemand, der hier einen Aufstand wagte,
hatte mehr als einen schnellen Tod zu riskieren. Dieser war dem
langsamen Siechtum vorzuziehen. Cäsar sagte leise:
„Unser Freund hier hat gemeint, du
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