PR TB 119 Die Todesmaschine
sein Tagebuch, steckte es ein und ordnete ein
weiteres Verhör des Gefangenen an.
Wenig später öffnete er sein Tagebuch wieder, dachte
lange nach und schrieb schließlich weiter.
»Ich muß entweder an meinem Verstand zweifeln oder
glauben, daß etwas nicht deshalb unmöglich ist, weil es
völlig absurd erscheint. Lunor ist aus seiner schwerbewachten
Zelle verschwunden, obwohl er gefesselt und mit einer Kette an der
Wand befestigt war.
Die Posten vor der Zellentür blickten in kleinen
Zeitabständen durch ein Fenster in die Zelle. Deshalb steht es
fest, daß Lunor innerhalb einer Zeitspanne verschwand, in der
man höchstens bis zwanzig zählen kann. Kette und Handfessel
waren unversehrt, und zuerst nahm ich an, er sei auf die gleiche
seltsame Art verschwunden wie damals Terthar beziehungsweise Vurgar.
Doch dann entdeckte ich zahlreiche winzige Löcher in der
Außenmauer der Zelle. Sie waren so winzig, daß nur
kleinste Insekten durch sie hätten kriechen können. Eine
Überprüfung der Außenwand von draußen ergab,
daß dort die gleichen Löcher vorhanden waren. Es scheint,
daß Lunor, so verrückt das klingen mag, sich in
insektenhaft winzige Teile auflöste, sich durch die Außenmauer
bohrte und fliegend entkam. Immerhin befindet sich seine Zelle im
achten Stockwerk.
Was sind das für Lebewesen, die sich in winzige,
eigenständige Unterkörper auflösen können, die
dann auch noch des koordinierten Vorgehens fähig sind? Wie ist
ihre wahre Gestalt? Offenbar haben sie überhaupt keine
Ähnlichkeit mit uns Xthoriern. Das könnte die anfängliche
Hilflosigkeit der beiden Fremden erklären. Unsere Welt muß
für sie alptraumhaft fremd sein. Vielleicht liegt darin auch die
Ursache für das aus unserer Sicht feindselige Verhalten des
Objekts im Po-tharte-Tal.
Um so erstaunlicher ist es, wie gut sich - relativ gesehen - Lunor
und Terthar innerhalb einer kurzen Zeitspanne angepaßt haben.
Bei meinem Gespräch mit Lu-nor hatte ich durchaus nicht den
Eindruck, mit einem absolut fremdartigen Lebewesen zu sprechen. Er
verhielt sich wie ein intelligenter Xthorier, und seine Argumentation
bewegte sich im Rahmen unserer Mentalität. Vielleicht ergibt
sich daraus ein Hoffnungsschimmer.
Ich werde versuchen, den Abwurf der Fusionsbombe hinausschieben zu
lassen. Ob mir das gelingt, weiß ich nicht, denn ich habe mich
entschlossen, über meine Vermutung hinsichtlich Lunors
>gewichtiger Gründe< zu schweigen. Wenn sie stimmt, und
nach Lunors Flucht erscheint mir beinahe nichts mehr unmöglich,
dann könnte durch mein Reden tatsächlich großer
Schaden angerichtet werden. Aus dem gleichen Grund schreibe ich auch
meine Vermutung nicht nieder.«
Geheimdienstchef Pulkar las seine letzte Tagebucheintragung durch,
dann steckte er das Tagebuch wieder ein, trat zum Fenster und blickte
auf die Dächer der Stadt Vudhemme.
Er fragte sich, ob Lunor noch irgendwo dort draußen war -
und was er als nächstes tun würde ...
*
Vurlason ließ sich auf ein Knie sinken und faltete die
Landkarte auseinander, die er in dem Polizeiwagen gefunden hatte. Er
überlegte, wie er zum Taptha-See gelangen könnte, ohne den
Suchtrupps in die Arme zu laufen oder von einem Helikopter aus
gesehen zu werden.
Der Umfang der Suchaktion nach ihm verwunderte Vurlason. Gewiß,
er hatte zwei Polizeibeamte niedergeschlagen und einen Polizeiwagen
entführt, aber seiner Meinung nach rechtfertigte das
allein nicht das riesige Aufgebot. Es schienen mindestens tausend
Männer durch den Wald zu streifen, und alle paar Minuten brummte
ein Helikopter über die Baumwipfel.
Jeder seiner bisherigen Versuche, sich zum Taptha-See
durchzuschlagen, war gescheitert, weil ihm entweder ein Suchtrupp
entgegengekommen war oder das
Gelände keine Deckung gegen Beobachtung aus der Luft bot.
Vurlason sah schließlich ein, daß er weder direkt zum
Taptha-See gelangen noch sich direkt nach Norden wenden konnte. Es
schien, als hätte die Polizei erraten, wo sein Ziel lag.
Er entschloß sich deshalb, einen großen Umweg zu
machen. Zur Zeit befand er sich etwa achtzehn Kilometer nordwestlich
von Togtha. Wenn er sich nach Süden wandte, an Togtha
vorbeimarschierte und dann in Richtung Osten ging, würde er den
Ygedhe-Fluß erreichen, der von Nordosten kam und nach
Durchfließen der drei Seen Aghul, Boltha und Taptha nach Süden
weiterfloß.
Vurlason beabsichtigte, den Ygedhe zu überqueren, notfalls
auch zu durchschwimmen und dann an der Großstadt Vudhemme
vorbei, nach Norden zu
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