PR TB 159 Insel Der Ungeheuer
Stimme hinter mir. Ich nahm sie
wie durch einen dicken Vorhang wahr. »Du mußt bereit
sein, bestimmte Dinge zu erfahren.«
Ich lag ruhig und mit mühsam geöffneten Augen da. Die
Bilder schräg über mir zeigten die Reiter, die sich
dahinschleppten. Erste Erinnerungen tauchten auf. Einer der Reiter
dort oben war ich.
»Hundertdreiundfünfzig Jahre!«
Offensichtlich hatte ich eine Schlafperiode in der Tiefseekuppel
beendet. Genauer: sie war von Rico, meinem Robot, beendet worden.
Ohne Grund wurde ich nicht in meinem Schlaf durch Zeit und Geschichte
des Planeten Larsaf III unterbrochen. Die Bilder, die ich sah,
dienten zur Ablenkung und sollten verhindern, daß mein Verstand
überfordert wurde.
»Warum. hast. du mich. geweckt?« brachte ich mühsam
hervor. In wenigen Augenblicken würde eine riesige, in allen
Einzelteilen sorgfältigst aufeinander abgestimmte Apparatur
anlaufen, die aus dem geschwächten Körper einen wieder
funktionierenden Organismus machten.
»Gebieter, ich habe dich nicht geweckt. Du bist nicht
allein.«
Ich versuchte zu erkennen, was der Robot meinte. Je länger
ich mit meinem mühsam funktionierenden Verstand nachdachte,
desto schlimmere Ahnungen tauchten auf. Der Reiter neben mir war
Rhaighur, mein Freund aus Akkade. Also hatte ich den Mann hierher
mitgenommen? Keine Erinnerung. Trotzdem: er mußte hier liegen.
Ich schwieg und betrachtete die Bilder.
»Was ist los?«
Der Zellschwingungsaktivator arbeitete und schien meinen Körper
zu wärmen. Die Unterlage verwandelte sich in eine
Massageplattform, die in genau berechneter Frequenz meinen Körper
erschütterte. Sämtliche Maßnahmen würden
innerhalb von Tagen und Wochen die Folgen des langen Schlafes
beseitigen. Also würden sie synchron auch meinen Freund beleben,
der mit mir zusammen die Stadt errichtet und Sharrukins Willkür
ertragen hatte.
»Rhaighur?« stöhnte ich.
Unwillkürlich hatte ich die Sprache der Akkader benutzt.
Wieder begann ich zu spüren, wie viele meiner wirklichen
Erinnerungen verschüttet oder blockiert waren. Sharrukin,
Encheduana, die Stadt, die für den Zerfall gebaut worden war?
»Ich bin hier!« ächzte er neben mir. »Wo
sind wir?«
»Später.«, vertröstete ich ihn. Ich war
unsagbar müde und erschöpft. Auf dem Bildschirm fing die
dreidimensionale Wiedergabe an, sich zu verwandeln. Der Wind war
heftiger geworden und steigerte sich zu einem Sturm. Der Sand
wirbelte in Spiralen aufwärts und hüllte die Reiter ein.
Schließlich war dort nichts anderes zu sehen als eine Sandhose,
in der die Pferde völlig verschwanden. In einer heulenden
Explosion löste sich die chaotische Erscheinung auf. Die
erschöpften Reiter waren fort. Das Bild erlosch, das stumpfe
Grau des Schirmes blieb übrig. Ich schloß die Augen. Das
letzte, das ich hörte, ehe die Apparatur mir flüssige
Aufbaunahrung einflößte und ich wieder einschlief, war die
Stimme des Roboters.
»Erhabener! Du bist mehrere Male von ES geweckt und
eingesetzt worden. ES hat die Maschinen und Computer manipuliert,
ebenso mich und die gesamte Versorgung der Unterseekuppel. ES sperrt
auch die Speicher. ES hat euch jetzt geweckt und ein Programm
bereitgestellt.
Sämtliche Merkmale deuten darauf hin, daß diesesmal ES
sich oder den Planeten definitiv bedroht sieht. Ihr müßt
jetzt schlafen. Auch ich bin von ES eingeschränkt worden.«
Das hatte ich vermutet. Nichts geschah ohne Grund. Wir waren
Werkzeuge dieser gewaltigen Gemeinschaftsintelligenz. Es blieb uns
nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Es gab nicht einmal die
Möglichkeit, etwas zu verweigern - die Gründe kannte ich
fast zu gut.
Ich schlief wieder ein.
»Arkonide Atlan! Du kennst meine Stimme, du weißt, wer
ich bin. Was ich dir sage, erfährt gleichzeitig auch dein
Freund. Ich brauche eure Hilfe. Ich habe euch geweckt, weil es nötig
ist.
Encheduana hat lange um dich getrauert. Sie starb als
Hohepriesterin der Ishtar. Akkade gibt es noch; eure Stadt lebt und
ist mächtig geworden. Sharrukin ist tot, die Wirren der
Thronfolge erschüttern sein Großreich.
Aber das alles ist unwichtig geworden. Überall auf diesem
Planeten entstehen Kulturen, viele sind miteinander durch Handel und
Wanderungen verbunden und tauschen bestimmte Kenntnisse und
Erkenntnisse aus - du weißt, was ich meine.
Eine sternförmige Wanderung aus allen Richtungen findet auch
zu einer Insel in demjenigen Meer statt, das Sharrukin das >Obere
oder Nördliche Meer< nannte. Du kennst viele seiner Ufer.
Diese
Weitere Kostenlose Bücher