PR TB 159 Insel Der Ungeheuer
abgeschnitten, saß auf dem
Pferdekörper. Ich fühlte, wie mich eisiges Entsetzen
lähmte. Ein Mann mit allen Attributen eines Hengstes, und
daneben, etwas zierlicher, mit großen Brüsten und langem,
silbernem Haar, ein Weibchen. Beide besaßen bronzefarbene
Felle. Sie stoben in einem rasenden Galopp über eine Talebene
der Insel.
»Gestalten, wie ich sie in trunkenen Nächten nicht
träumte!« flüsterte Ranthys heiser. Ich schwieg.
Jedes erklärende Wort von ES versetzte mir einen neuen Schlag.
»Die Khent'our sind relativ harmlos, weil sie lediglich die
Intelligenz von Barbaren und die Geschwindigkeit, Kraft und Stärke
von Pferden vereinigen. Aber als Instrumente von Macht und Terror,
als die sie eingesetzt werden, sind sie unübertrefflich. Das
Männchen raubt junge Mädchen, verschleppt sie und versucht
nachweislich, mit den Opfern Nachwuchs zu zeugen. Bisher wurden keine
Geburten beobachtet, aber allein der bloße Gedanke an dieses
mögliche Schicksal versetzt einen Teil der weiblichen
Bevölkerung in Schrecken und Angst. Das Weibchen ist, soweit ich
es bisher beurteilen kann, ungefährlich.«
Bisher hatte ich es nur mit der vergeblichen Suche nach fremden
Raumfahrern und ihrem Raumschiff zu tun gehabt. Die Erinnerung an
Sharrukin, der ein Androide gewesen war, verblich langsam in meinen
Gedanken. Aber trotz aller Hemmungen begriff ich, daß diesmal
der Planet in tödlicher Gefahr war. Vermehrten sich diese Wesen,
hatten die Barbaren keine Chance mehr, jemals den Weg zu den Sternen
zu erreichen.
»Ich kann es nicht glauben!« flüsterte ich
erstarrt.
Aber es ist die Wahrheit. ES scherzt keineswegs, belehrte mich der
Extrasinn.
»Und gegen diese Fremden sollen wir kämpfen?«
»Ja. Es hätte, bei mir wenigstens, keines Auftrags von
ES bedurft!« bestätigte ich.
Wieder wurden sämtliche Bilder und Filme mehrmals abgespielt.
Wir standen so sehr unter dem starken Eindruck des unsagbar Fremden
und Drohenden, daß jede Bewegung, jede Schattierung des Fells
und jede Geste wie mit einem glühenden Stahl in unsere Gedanken
gebrannt wurde. Aison und seine zwei Helferinnen waren kaum ein
ernsthaftes Problem; wie Sharrukin würden sie in ihrer
erzwungenen Dynamik die Barbaren zu einer kulturellen Hochleistung
anspornen und hinaufpeitschen. Aber die wirkliche Drohung - war sich
Aison selbst dieser Gefahr eigentlich bewußt? - stellten
H'arpeji und Khent'our dar. Die Bilder der dritten Gruppe erschienen.
»Das sind die Stimvaleed. Ein Schwarm von einundzwanzig
Vögeln. Raubvögel, schnell wie Rauchschwalben, tödlich
dank vergifteter Schnäbel und Klauen, die in einem Zyklus aus
zehn mal fünf Tagen zehn verschiedene Gifte absondern, sie leben
von warmem Fleisch, nisten auf Klippen und stehlen den entsetzten
Fischern die schönsten Fänge weg. Ihre Augen sind
unheimlich scharf. Sie greifen nur gemeinsam an. Ihre starren Federn
verbreiten ein metallisches Geräusch, das weithin hörbar
ist. Das Wachstum ihrer Federn ist rasend schnell - sie sind in der
Lage, aus ihren Schwingen einzelene Federn zu schleudern wie
Bronzemesser.«
Wir sahen Vögel, goldfarben und silbern funkelnd. Absolut
fremd, von einem anderen Planeten mit einer anderen, kälteren
Sonne im anderen Spektralbereich. Sie bildeten ein Rudel mit absolut
synchronen Bewegungen. Wie Roboter. Nur bei dem Angriff auf einen
Fischer, der um sein Leben rannte und den Fang wegwarf, spaltete sich
die Gruppe. Die Stimvaleed schrien wie Fanfaren, die mit Preßluft
betrieben wurden. Sie waren so groß wie kleine Adler oder wie
riesige Falken. Ihre Schnäbel und Klauen schienen aus
vergütetem, blauschimmerndem Stahl zu sein. Ein König, über
dessen Kopf bei einem Kampf solche Vögel schwebten, brauchte
nicht wirklich zu kämpfen.
»Wir sollen sie töten, Atlantos?« Ranthys
schüttelte wild seine blauschwarze Mähne.
»Ich bin sicher, daß wir sie töten werden!«
versprach ich, ohne zu wissen, wie das geschehen sollte. Die Stimme
unseres Herrschers war wieder zu hören.
»Ihr seid entsprechend ausgerüstet. Diese Fremden
werden als Sagenwesen und Fabeltiere jahrtausendelang weiterleben,
und euch wird es wohl nicht anders ergehen. Ihr habt
Hochenergiewaffen und
meine Hilfe.
In diesem Fall halte ich nicht allzu viel von Tarnung wegen
möglicher Legendenwirkung. Und jetzt zu Proteos, dem
Einzelkämpfer.«
Außerordentlich verwirrend! Ein Wesen, das wie ein Traum
war, wie ein fleischgewordener Wunsch wohl vieler Lebewesen. Etwa so
viel Masse und Gewicht wie
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