PR TB 180 Das Goldland
als
Diener, sondern als adjmer geboren, als Graber von Kanälen. Oder
als Verwalter des Pharaos. Kurz und gut: Ich möchte im weißen
Sand des Nillands begraben werden, in einer kleinen Mastaba, die ihr
alle grabt. Deshalb meine Bitte. Oder meine Frage: wann werden wir
segeln?"
Ich hatte mich schon vor zwei Tagen entschlossen, trotzdem mußte
ich ihm antworten:
„In drei Tagen, vor dem Morgengrauen, verlassen wir diesen
Stamm. Die Winde blasen immer stärker. Aber - viel
Unvorhergesehenes kann geschehen auf der langen Reise. Wir können
untergehen, uns verirren, im Meer sterben... bedenkst du dies?"
„Ich habe es bedacht. Wenn das geschieht, weiß ich,
daß es die Götter Ägyptens so wollen. Aber was mich
betrifft, so tue ich alles, was ich kann. Bedenke du, Herr, ich bin
in Ägypten geboren. Und diese Fahrt wird mein letztes
glückliches Erlebnis sein."
In seinen Augen sah ich, daß er noch nie so ernst gesprochen
hatte. Ich nickte langsam und deutete zu den Schiffen hinunter.
„Verlasse dich darauf. In drei Tagen sind die Schiffe auf
der Heimreise. Und wenn du sterben solltest, werde ich das Totenlied
aufsagen, wenn man dich einbalsamiert. Du glaubst meinem Wort?"
Er fiel auf die Knie, berührte meine Füße mit
seiner Stirn und streichelte meine Knöchel.
„Danke, Atlan-Horus", flüsterte er. „Ich
wußte immer, daß du ein gerechter Fürst bist und ein
Freund derjenigen, die dir gehorchen."
„Geh", sagte ich mit rauher Stimme. „Trinke Bier
und lasse dich verführen. In drei Tagen sind wir wieder allein."
Er kicherte, schlug sich mit den Händen auf die Brust und
rannte glücklich davon. Ich blieb verwirrt zurück. Die
Jahreszeit Peret hatte begonnen; die Winde aus Süden waren
dauerhaft und kräftig. Es wurde Zeit, daß wir Punts Küsten
verließen. Und dennoch hatte ich ein vages Gefühl
kommenden Ärgers.
In den verbleibenden Tagen kümmerten wir uns, meine Freunde
und ich, um jedes einzelne Schiff. Wir erwogen lange, die schweren
Ankersteine über Bord zu werfen, aber dann entschlossen wir uns,
dieses Gewicht mitzuschleppen. Wir konnten sie noch immer loswerden,
wenn die Schiffe in Gefahr gerieten.
Jetzt endlich waren wir allein. Wir sprachen in einer Art
miteinander, die uns zu zwei einfachen, ehrlichen Bewohnern dieses
Planeten machte. Von Mann zu Mann
eine undeutliche Umschreibung. Eine kreatürliche Ehrlichkeit
hielt uns in diesen letzten Momenten in ihrem festen Griff.
„Ich wünschte, ich könnte hierbleiben und mit
deinen Speerleuten im Häuptlingskanu jagen, Bier trinken und
nachts zwischen den Baumkronen schlafen. Aber dort im Land Tamera
habe ich eine Aufgabe, Freund Dekka-Munda!" sagte ich leise.
„Diese Männer dort gehorchen mir. Ich muß sie ohne
Schaden zurückbringen."
Er schüttelte lange meine Hand, starrte mir in die Augen und
zuckte dann die Schultern. Der riesige Häuptling der Imraguen
sah plötzlich unsicher und verloren aus, wie ein Kind, das sich
vor der Zukunft fürchtete.
„Ich weiß. Du mußt tun, was zu tun ist. Wir
haben viel von euch gelernt, und ich habe noch mehr von dir gelernt,
Atlan. Warum kommst du nicht wieder?"
„Ich sage nicht nein, ich sage nicht ja. Ich sage: Ich will
es versuchen. Ob es gelingt? Ich weiß es nicht."
Draußen auf dem Meer, im grauen und diffusen Licht zwischen
Nacht und Morgen, heulten die Signalfanfaren auf. Ich deutete über
meine Schulter. Nur noch die LOB DER HATHOR schaukelte mit halb
aufgezogenem Segel und bewegungslos über dem Wasser verharrenden
Riemen am langen, leeren Strand. Wir waren die einzigen Menschen auf
der Sandfläche. Der Häuptling nickte.
„Unsere Legenden werden immer wieder von euch sprechen. Und
von dir, mein Freund Atlan."
„Auch ich und Ne-Tefnacht werden, solange wir leben, von dir
sprechen. Von unserem Freund, dem Häuptling der Imraguen."
Nochmals schüttelten wir uns die Hände. Dann führte
er mich an die Linie, wo sich Wasser und Land schäumend und mit
dem feinen Zischen bewegter Sandkörner und sich auflösenden
Schaums trafen.
„Alles soll in Erfüllung gehen, was du dir wünschst,
Fürst Atlan!" rief der Häuptling. Ich watete auf das
Heck der HATHOR zu, von dem die Seilleiter herunterhing.
„Danke. Dies gilt auch für dich!" rief ich.
Nitokras stand im Heck und hielt eine flammende Fackel hoch. Das
Licht brach sich in den Wellen und auf unseren Körpern. Ich
kletterte an Bord. Ein leises Kommando. Die Ruderer setzten die
langen Riemen ein. Ipuki ließ nach zehn Ruderschlägen
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