PR TB 190 Die Kinder Von Saint Pidgin
eine nicht zu unterschätzende Bedrohung
dar. Er war schneller als dieser Shift und war auch um Klassen besser
ausgerüstet. Nikis Hoffnung war, daß es eine Weile dauern
würde, bis die fremde Macht die Shiftbesatzung unter Kontrolle
gebracht hatte, so daß sie wenigstens einen gewissen Vorsprung
bekommen würden.
Niki erreichte den Waldrand. Er hob mittels der Antigravfelder den
Flugpanzer vom Boden ab und schaltete die Impulstriebwerke ein. Der
Shift machte einen Satz nach vorne und schoß steil in die Höhe.
„Wohin geht die Reise?" fragte plötzlich eine
weibliche Stimme neben ihm. Er blickte zur Seite. In der Bodenluke
war Distel aufgetaucht. Sie kam in die Kanzel geklettert und setzte
sich auf den Kopilotensitz. Niki spannte sich an. Distel schien es zu
merken und meinte: „Keine Angst, ich fresse dich nicht, Niki.
Willst du mir nicht verraten, welches Ziel du vor Augen hast?"
Niki preßte die Lippen aufeinander. Distel wirkte eigentlich
ganz normal, und es fiel ihm schwer zu glauben, daß sie keinen
eigenen Willen mehr besaß. Dennoch mußte es so sein, eine
andere Möglichkeit gab es gar nicht.
„Das wirst du bald genug erfahren", sagte Niki
schließlich gepreßt. Und er dachte, daß die fremde
Macht ohnehin bald herausgefunden haben würde, daß er nur
zwei Möglichkeiten hatte. Entweder er flog zur Kinderrepublik,
oder er kehrte zur ARARAT zurück. Aber er hatte sich längst
schon für die zweite Möglichkeit entschieden.
„Dein Mißtrauen mir gegenüber ist unbegründet",
sagte Distel. „Wofür hältst du mich eigentlich?
Glaubst du, daß ich über Nacht zu einem Monstrum geworden
bin?"
„Vermutlich weißt du gar nicht, was mit dir geschehen
ist, Distel", sagte er.
„Da irrst du", erwiderte sie. „Ich weiß
alles. Ich habe meine fünf Sinne noch beisammen und bin klar bei
Verstand. Ich habe meinen eigenen Willen und kann selbst entscheiden.
Was ich tue, tue ich freiwillig. Niemand zwingt mich zu irgend
etwas."
„Und was ist mit den anderen?" fragte Niki. „Vielleicht
trifft es auf dich zu, daß du scheinbare Handlungsfreiheit
hast. Aber die anderen sind Sklaven einer fremden Macht. Und du
erfreust dich vermutlich nur deshalb einer gewissen Freiheit, weil du
als Köder dienst."
„Das siehst du falsch, Niki", meinte Distel ruhig. „Du
ziehst völlig falsche Schlüsse, weil du die Zusammenhänge
nicht kennst. Du hast keine Ahnung, was wirklich passiert ist und was
vor sich geht. Ich bin befugt, dir die Wahrheit zu sagen. Willst du
mir zuhören?"
„Ich höre", sagte Niki angespannt. „Aber
versuche nicht, mich einzuschläfern und mich dann zu
übertölpeln. Ich müßte dich dann unschädlich
machen."
„Armer Niki", sagte Distel, und irgendwo trafen ihn
ihre Worte wie Nadelstiche. Sie erreichte damit immerhin, daß
er sich lächerlich und gleichzeitig auch schuldig vorkam. „Du
mußt völlig umdenken. Aber das wird dir nicht
schwerfallen, wenn du erst weißt, was wirklich passiert ist."
Nach diesen Worten herrschte eine Weile Schweigen zwischen ihnen.
Niki errechnete die Flugroute und schaltete den Autopiloten ein, aber
er blieb wachsam, war bereit, bei Annäherung von Gefahr die
manuelle Steuerung des Shif ts zu übernehmen.
Er blickte Distel von der Seite an und stellte verblüfft
fest, daß sie kein kleines Mädchen mehr war. Sie war ganz
und gar keine häßliche Distel, sondern eine recht
anziehende und selbstbewußte junge Dame. Im Augenblick machte
sie einen konzentrierten Eindruck, und es schien, als überlege
sie sich, wie sie ihm die Zusammenhänge am besten erklären
sollte. Es konnte aber auch sein, daß sie sich auf die
Gedankenbefehle der fremden Macht konzentrierte. Sonst wirkte sie
recht normal.
„Was ist? Hast du den Faden verloren?" versuchte Niki
sie zu ermuntern.
Sie schüttelte den Kopf und brachte sogar ein schwaches
Lächeln zustande. Dann begann sie mit ihren Erklärungen.
„Eure Erlebnisse auf dem Cororosa-Gletscher, der
Lawinenabgang, das Auffinden eines fremdartigen Insektenwesens,
Bennys Trauma, das alles und die unerklärlichen Vorgänge
auf Saint Pidgin haben ein und dieselbe Ursache", begann Distel.
„Benny und du, ihr habt durch eure besondere Begabung die
Geschehnisse wohl am unmittelbarsten miterlebt. Benny war sogar noch
mehr als du davon betroffen, und wenn er von einer Psycho-Explosion
spricht, die in unbekannten Räumen und auf einer anderen
Existenzebene stattgefunden hat, so trifft das die Sache genau. Aber
Benny war ja dabei. Er hat das
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