PR TB 190 Die Kinder Von Saint Pidgin
haben es aus dem
Gefängnis befreit. Schnell, sie sollen Schiffer werden."
Und sie wurden Schiffer. Nur Benny überstand die Prozedur
nicht ganz schadlos, und der Käp'ten mußte etwas mit ihm
anstellen, damit er Ruhe gab. Danach war Benny ohne Bewußtsein,
und Gerry und Hobo brachten ihn ins Regenbogenzimmer hinauf. Sie
blieben ebenfalls dort, und Nelly trauerte ihnen nicht nach,
da mit ihnen nicht mehr viel anzufangen war, seit sie zu Schiffern
geworden waren.
Sie begab sich zurück an den Rand der Terrasse und wartete.
Hinter ihr geisterte der Käp'ten in seinem Similikörper
herum. Er hatte von sich selbst behauptet, daß er jede
beliebige Zahl solcher Similikörper erschaffen konnte. Jetzt
sagte er:
„Der Trinker war dabei, als die Katastrophe passierte. Du
kannst ihn fragen, wie es war, wenn du mir nicht glaubst. Ich
erinnere mich wieder an den Fremdkörper, der plötzlich
inmitten des Katastrophenherdes auftauchte. Aber er kam erst nachdem
Kollaps. Und er war bestimmt nicht der auslösende Faktor. Frage
den Trinker. Wenn du willst, kann auch ich ihn verhören. Er
versteht mich besser als die Zwillinge. Er ist mir sehr ähnlich,
er ist mir näher als du - aber eben deswegen befürchte ich
Schwierigkeiten mit ihm. Besser, du weckst ihn doch nicht."
Nelly ließ den Käp'ten reden. Sie hörte ihm gerne
zu. Auf diese Weise lernte sie ihn besser kennen - und kam ihm näher.
Das war wichtig.
Irgendwann verstummte der Käp'ten. Das war kurz bevor die
nächsten aus Nikis Bande kamen. Wahrscheinlich hatte der Käp'ten
sie wahrgenommen und war deshalb verstummt.
Unten tauchten Seidelbast und Rosalind auf. Nelly dachte, daß
Rosalind einer Distel mehr glich, als sie selbst in ihrer häßlichsten
Phase. Es hatte sie immer geärgert, daß Niki Rose, wie er
sie fälschlicherweise nannte, den Vorzug gab. Aber das war in
einem anderen Leben gewesen. Jetzt störte sie nicht einmal mehr
der Gedanke, daß Rosalind seine Geliebte gewesen sein könnte.
Nun, sie selbst war bis dato zu jung gewesen. Irgendwie fand sie es
doch schade, daß aus ihr und Niki nun nichts mehr werden
konnte. Jetzt, da sie alt genug wäre, um... Aber sie würden
auf andere Art und auf einer anderen Existenzebene zueinanderfinden,
und diese Vereinigung würde viel mehr Bestand haben als die
körperliche. Denn sie würde für immer sein.
„Sieh an, die zornige Distel!" rief Rosalind herauf.
„Wenn ich sie so betrachte, könnte ich mir vorstellen,
daß sie für dich eine ernste Rivalin werden könnte",
meinte Seidelbast giftig. Er deutete zum Shift und fragte Nelly dann:
„Hast du schon einen Blick auf unsere heiße Fracht im
Kühlraum geworfen?"
„Laßt es nur in Ruhe!" sagte Nelly streng. „Es
darf nicht geweckt werden. Es ist gefährlich."
„Heißt das, daß das Insekt lebt?" rief
Seidelbast aus. „Wie habt ihr das herausbekommen? Und was wißt
ihr noch über das Fremdwesen?"
„Kommt herauf, der Käp'ten wird euch einweihen."
Und das tat der Käp'ten. Die beiden machten keine
Schwierigkeiten, obwohl sie längst nicht so großzügig
aufgeklärt wurden wie Nelly. Rosalind wurde zu einer stillen
Rose, und Seidelbast spuckte kein Gift mehr.
Als nächster traf Ramin mit der Zahnlücke ein. Sein
Pfeifen war schon von weitem zu hören. Nach der Melodie des
Liedes zu schließen, das er vor sich hin pfiff, war er bei
einem Mädchen gewesen.
„Holla!" rief Ramin herauf, als er Nelly sah.
„Enttäuscht, daß ich nicht Niki bin?"
„Was ihr alle nur habt", erwiderte Nelly. „Und
frage mich ja nicht, ob ich schon einen Blick in den Kühlraum
des Shifts geworfen habe. Ich weiß sogar, was es ist."
„Und was?" fragte Ramin verblüfft.
„Wir würden es einen Sträfling nennen.
Entsprechend gefährlich ist es auch. Es darf nicht geweckt
werden."
„Es lebt?"
„Komm herauf, und du erfährst mehr darüber."
Angord kam bald darauf, aber aus einer ganz anderen Richtung. Er
hatte den beschwerlicheren Weg durch die Baumkronen der Korkriesen
genommen. Nelly hörte seine trommelnden Schritte schon von
weitem. Diese verstummten oberhalb des Baumhauses, und als er dann
wieder zu hören war, trommelte er nicht mehr.
Das zeigte Nelly, daß er nun ebenfalls ein Schiffer war.
Nun fehlten nur noch Lola Sanftmut und Willi, der Plärrer.
Und natürlich Niki.
Auf ihn kam es an. Er war der Anführer der Bande, und auf ihn
hörten alle. Wenn er mitmachte, dann waren auch die anderen für
die gute Sache gewonnen. Es lag an ihr, ihn für das Unternehmen
zu
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