PR TB 193 Das Ende Der Duplos
Templins Kleidung wildromantisch aus,
jedenfalls fand das Cassiddu Templin.
Er hatte mit Cardons Hilfe die Nutzlast aufgeteilt und zu Bündeln
zusammengeschnürt. Zum Glück war genügend Tauwerk
gerettet worden; auch für Gurtsysteme, die das Tragen
erleichtern sollten, hatten die Seile gereicht.
„Vorwärts!" sagte Templin. „Brechen wir
auf."
Er nahm sich das schwerste Bündel und legte es sich über
die Schulter. Ein Lederband hatte er um seine Stirn gelegt, auch das
half, die Belastung zu verteilen. Er rückte das Bündel
zurecht und trat an den Eingang.
Der Anblick war erschütternd.
Man sah nur weiß, glitzerndes Weiß, angefangen am Fuß
des Berges und dann sich endlos erstreckend bis zum Horizont. Am Fuß
des Berges waren noch die Bäume zu sehen, später gab es
dann nur noch einen Anblick die eisige Kruste, unter der das Land
begraben lag. Über diese riesige glatte Fläche fegten
Stürme, denen sich nichts in den Weg stellte und die daher von
unglaublicher Gewalt und Stärke waren. Jeder Versuch, sich auf
der Oberfläche dieses Meeres aus Eis und Schnee zu bewegen,
konnte nur in einer Katastrophe enden.
Templin griff nach dem Seil neben ihm und begann an der Felswand
hinabzuklettern. Er nahm sich Zeit für den Abstieg. Es half
nichts, wenn er zur Eile drängte - Zeit war von allen Gütern
das, das am meisten zur Verfügung stand.
Von dem Gleiter war nun nichts mehr zu sehen. Bei der
Rettungsaktion für die Ladung hatten Cardon und Templin die
Reste beseitigt. Nur noch ein Geröllhaufen zeugte von dem
Erdrutsch.
Templin blieb am Fuß des Berges stehen und wartete, bis die
anderen den Abstieg geschafft hatten. Frank Carruthers hatte sich des
Mädchens angenommen. Ein Glück, daß Kinder in diesem
Alter relativ viel schliefen, dachte Templin.
„Wir müssen nach Norden", stellte er fest. „Hier
an dieser Stelle kommen wir nicht über das Gebirge, also müssen
wir zunächst einmal ausweichen. Wir stehen praktisch vor der
Mitte der Nullarbor Mountains. Wohin wollen wir uns wenden - nach
rechts oder nach links."
Eine Abstimmung ergab, daß die Gruppe nach Osten marschieren
würde. Templin ging voran. Er brauchte nur knapp hundert Meter
weit zu gehen, dann hatte er die Umgebung erreicht, in der er die
nächsten Tage, Wochen und Monate verbringen mußte.
Er mußte sich durch meterhohe Schneeverwehungen
durchkämpfen, die typisch waren für den Rand der Wildnis,,
dann kam die Grenze des Eislands, und danach stand er in dem
typischen Dom aus Eis und Schnee, den die Natur injedem Jahr über
dem Kontinent errichtete.
„Es ist unglaublich", murmelte Gaelyn. „Ich habe
Angst vor diesem Land, aber der Anblick ist faszinierend."
Hoch über den Bäumen lag der Schnee, und durch diesen
Schnee fiel das Licht der Sonne in den Wald hinab. Ein diffuses
Dämmerlicht erhellte den schweigenden Urwald. Der Boden
selbst war nur mit einer geringen Lage Schnee bedeckt, der größte
Teil der Millionen Tonnen kristallinen Wassers hing in der Luft.
Jemand hatte einmal den Eispanzer mit einem Fakir auf dem Nagelbrett
verglichen, und in einigen Punkten stimmte der Vergleich sogar. Es
waren die Spitzen der Bäume, die den Eispanzer hielten und auf
diese Weise eine Zone der Dämmerung schufen, ein geheimnisvolles
Land unter dem Eis, das nach eigenen Gesetzen lebte - und starb.
Typisch für den Wald in dieser Jahreszeit war vor allem das
Dämmerlicht, das dem Land eine Atmosphäre des Unheimlichen,
Gespenstischen gab. Wer zudem wußte, was für Leben sich in
dieser Dämmerzone tummelte, empfand die Beleuchtung doppelt
eindrucksvoll, doppelt bedrückend.
„Ich marschiere vorne", bestimmte Templin. „Cardon,
sie übernehmen die Rückendeckung." Cardon nickte. Er
war schweigsam geworden in den letzten Tagen, und er hatte sich
Templin untergeordnet. Leicht war ihm das nicht gefallen, das war
deutlich zu sehen. Aber er war bei allen Schwächen und Mängeln
einsichtig genug gewesen, zu erkennen, daß er es als Waldläufer
mit Templin nicht aufnehmen konnte. Cassiddu hatte den Eindruck, daß
Cardon sich zu Beginn der Expedition als Experte aufgespielt hatte
und nach der Katastrophe es nicht geschafft hatte, diesen Eindruck zu
bestätigen oder zu zerstreuen. So war er die ganze Zeit über
in viel zu großen Stiefeln herumgelaufen, von denen aber
niemand bemerkt hatte, wie wenig sie ihm passten. Daß jetzt
einer gekommen war, der ihm die Last der Kompetenz abnahm,
erleichterte Cardon zum einen und bedrückte ihn, weil
Weitere Kostenlose Bücher