PR TB 193 Das Ende Der Duplos
„Ich kann Felsen erkennen."
Templin atmete erleichtert auf. Sein Orientierungssinn hatte ihn
nicht getrogen. Noch funktionierten seine Instinkte einwandfrei. Es
war lebenswichtig, das zu wissen. Templin hegte ein grundsätzliches
Mißtrauen, was seine eigenen Fähigkeiten betraf. Er
stellte sie immer wieder einmal auf die Probe, und bislang war er
nicht schlecht damit gefahren.
Er beschleunigte seine Schritte und übernahm wieder die
Spitze des Zuges. Cardon hatte richtig beobachtet. Vor ihnen lagen
die Nullarbor Mountains, das Tagesziel.
Templin sah auf die Uhr. Es blieb noch genügend Zeit, den
nächstgelegenen Berg zu erreichen und dort nach einem geeigneten
Platz für ein Biwak zu suchen. Injedem Fall mußte die
Gruppe die Grenzzone zwischen Gebirge und Wald schnellstens hinter
sich bringen. Die meisten Todesfälle ereigneten sich
erfahrungsgemäß in diesem Bereich.
Templin nahm seine Zuflucht zu einem rabiaten Verfahren, sich den
Weg zu bahnen. Er nahm den Thermostrahler in die Hand, stellte die
Waffe auf breiteste Fächerung und Dauerfeuer ein und zielte dann
auf die Schneewehen, die sich der Gruppe in den Weg stellten.
Was er tat, war nicht ganz ungefährlich, aber unerhört
wirkungsvoll. Der Schnee verwandelte sich unter dem Beschuss in
Wasserdampf und stieg in die Höhe. Dadurch wurde zwar der Weg
durch die Verwehungen frei, aber das Risiko, Teilstücke der
Eiskruste auf den Kopf zu bekommen, wuchs erheblich.
„Tempo!" drängte Templin. „Nehmt die Beine
in die Hand."
Sie brauchten fünf Minuten, um den Fels zu erreichen, und
kurze Zeit, nachdem Templin die gesicherte Waffe wieder
zurückgesteckt hatte, krachten hinter ihnen zwei bis drei Tonnen
Eis und Schnee auf den Weg, den sie sich gebahnt hatten.
Templin sah in die Höhe. Er konnte den graumelierten Himmel
sehen, an dem sich ein Schneesturm vorbereitete. Dann wanderte sein
Blick über die Felsen. Templin nickte zufrieden. Es gab einen
Weg, der in die Höhe führte. Er hoffte, daß dies der
richtige Punkt war, daß man von dieser Stelle aus das Gebirge
überqueren konnte.
Er machte sich als erster an den Aufstieg, der an dieser Stelle
erstaunlich leicht war. Seilsicherung war nicht nötig, man
konnte fast schon gehen, so sanft waren die Steigungen. Templin
allerdings wußte, daß der Weg nicht immer so bequem sein
würde.
Ein Blick nach oben. Der Sturm zog auf. Eine Stunde noch,
wahrscheinlich weniger - soviel Zeit verblieb ihm, für sich und
seine Begleiter ein Quartier zu finden.
Templin half seinen Gefährten, den Berg hinaufzuklettern. Er
zeigte ihnen, wohin sie die Füße zu setzen hatten. Vor
allem aber hatte er die undankbare Aufgabe übernommen, das Kind
zu tragen. Joan fand die ganze Angelegenheit unerfreulich und schlug
aus Leibeskräften um sich. Sie konnte Templin damit nicht
wehtun, aber er hatte genug Arbeit damit, das lebende Bündel
nicht zu verlieren und gleichzeitig die Balance zu wahren. Der Jäger
stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er den Aufstieg
beendet hatte.
Zum einen hatte er ein Quartier gefunden, eine breite Spalte im
Fels, die genau im Windschatten des Berges lag. Eine halbe Stunde
Arbeit, und die Unterkunft war fertig.
Zum anderen aber hatte ihm ein prüfender Blick voraus
gezeigt, daß er tatsächlich eine günstige Stelle
erwischt hatte - wenigstens vorläufig. Das nächste
Tagesziel würde einigermaßen bequem zu erreichen sein. Es
ging ein Stück hinab, in ein flaches Tal und dann wieder zu
einem Pass hinauf. Templin konnte beide Wege einsehen. Sie waren zwar
mit Felsbrocken übersät, aber sein geübtes Auge hatte
herausgefunden, daß der Marsch zwar mühsam, aber
keineswegs gefährlich sein würde.
„Wir werden hier übernachten", erklärte
Templin. Er befreite sich von der kleinen Joan, die dringend
gewickelt werden mußte, und gab sie ihrer Mutter in den Arm. Er
überließ es Carruthers, die Abendmahlzeit
zusammenzustellen. Derweilen sorgte er mit Cardons Hilfe für ein
Dach über dem Kopf. Cardon schleppte in seinem Bündel eine
dünne Plane mit sich herum. Das Material war wasserdicht und
angeblich reißfest.
Templin hatte die Plane schon einige Male erprobt und dies
bestätigt gefunden. Mit Cardons Hilfe spannte er das Tuch über
den Felsspalt, der auf diese Weise von drei Seiten abgedichtet war.
Unter dem Tuch mußte sich die Körperwärme der
Menschen stauen, und damit war auch gewährleistet, daß die
Gruppe nicht in der Nacht erfror.
Templin war mit sich und dem Erreichten
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