PR TB 203 Rote Sonne Uber Rubin
weiter. Susan beobachtete, wie
auch er von Meter zu Meter unsicherer wurde, wie sich sein Schritt
allmählich verlangsamte, bis er unvermittelt stehenblieb - den
Kopf kaum merklich gesenkt, die Schultern leicht nach vorn gezogen.
Susan war verwirrt und unsicher. Hier spielte sich ein
historisches Ereignis ab, das begriff sie sofort. Sie hatte längst
damit gerechnet. Warum es hier und jetzt geschah, würde wohl
niemals jemand ergründen können.
Es hatte alle Personen erfaßt, die sich anschickten, das
Schiff zu verlassen. Manche waren noch ein Stück weiter
gegangen, andere bereits am oberen Ende der Rampe stehengeblieben.
Als wären sie von einer geheimnisvollen Lähmung ergriffen,
verharrten die Menschen in ihrem Schritt und beobachteten die
wartenden Tiere.
Sie spürten es alle.
Eine völlig neue, fremdartige Empfindung, exotisch,
unbeschreiblich und nicht einzuordnen in die Summe aller bisherigen
Erfahrungen. Ein menschlicher Gedanke, verknüpft und
geheimnisvoll verwoben mit einem animalischen. Ein unsichtbares Band
psychischer Natur, erste Anzeichen nie geahnter Übereinstimmung
geistiger Art.
Susan war weit davon entfernt, alles zu verstehen, was sie
erlebte. Bilder aus ihrer Kindheit und ihrem bisherigen Leben zogen
blitzschnell an ihr vorbei. Die neue, unerwartete Entwicklung fügte
sich logisch und konsequent in alles ein, was sie mit Tieren bisher
erfahren und für sie empfunden hatte.
Noch immer standen die Coros reglos und blickten zu den Menschen
herüber. Nichts deutete darauf hin, daß sie über die
so plötzlich in dieser Stärke auftretende psychische
Affinität ebenso überrascht oder verwirrt waren. Mit ihren
sensiblen Gehirnen hatten sie den geistigen Kontakt längst schon
wahrgenommen, auf einer gänzlich anderen Ebene der
Erlebensskala.
»Ich habe Angst«, flüsterte jemand hinter der
Forscherin.
Susan drehte sich nicht um.
»Wovor?« fragte sie schlicht. »Es gibt keinen
Grund.«
Die Perspektiven, die sich aus der neuen Entwicklung ergaben,
waren faszinierend und erschreckend zugleich. Dennoch lehnte sie den
Kontakt nicht ab. Erstes Verstehen flammte in ihr auf. Sie begann,
die ungewohnten Eindrücke rational zu verarbeiten. Animalische
Instinkte und menschliche Intelligenz - verflochten zu einer
umfassenden planetaren Zweckgemeinschaft, sich in gegenseitiger
Harmonie stützend und wechselseitig aufbauend. Vielleicht war es
die Grundlage dafür, auf Rubin auf die Dauer überleben zu
können.
Noch hatte sich niemand aus der Starre gelöst, als Susan den
Schock bereits überwand. Langsam ging sie die Rampe weiter
hinab, betrat den Boden, wo sie abermals stehenblieb. Eine Weile
beobachtete sie die Herde, ließ jenes Gefühl psychischer
Gleichheit auf sich einwirken, schloß die Augen, konzentrierte
sich. und spürte, wie der Kontakt stetig intensiver wurde, wie
fremde Verhaltensweisen ihr verständlich wurden, wie sich
tierische Empfindungen und instinktverhaftete Gefühle mit ihrem
eigenen Denken vermischten.
Da brach der Kontakt ab.
Eine entsetzliche Leere breitete sich in ihrem Schädel aus,
als Susan die Augen öffnete. Die Herde war unruhig geworden, die
Tiere trampelten hektisch auf der Stelle, einige stießen wilde,
röhrende Schreie aus, warfen die Schädel hin und her. Dann
ergriffen sie die Flucht. Die neuen Empfindungen, von ihnen selbst
gesucht und von der Forscherin intensiviert, dieses unbekannte
geistige Erlebnis mußte sie total verschreckt und in Panik
versetzt haben. Der Boden zitterte, als die Herde in einer wahren
Stampede davonstob. Herausgerissenes Erdreich und emporgeschleuderte
Grasballen kennzeichneten die Spur ihrer wahnsinnigen Angst.
Eine Hand legte sich auf Susans Arm. Sie erkannte Gene, der zu ihr
getreten war und sie beruhigend ansah. Nach und nach kam auch in die
übrigen Rubiner wieder sichtbares Leben. Verwirrt blinzelte die
Forscherin in die Sonne.
»Es ist die mehrdimensionale Strahlung«, bemühte
sie sich um eine Erklärung. »Wir sind nicht körperlich
entartet wie die auf Rubin geborenen Blues. Die Veränderung bei
uns ist geistiger Natur. Die Struktur unseres Gehirns ist verändert,
und sie wird sich von Generation zu Generation weiter verändern.
Unser Geist ist offen geworden für psychische Empfindungen
anderer Wesen - und er wird sich weiter öffnen.«
Sie hatte leise und bedächtig gesprochen, als müsse sie
sich jedes Wort genau überlegen. Ihrem Gefährten war
anzusehen, daß er die Dinge anders sah.
»Ich glaube, du
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