PR TB 212 Expedition Der Todgeweihten
die Entscheidungen traf und auch durchsetzte.
Kamee lud sich einen Leinensack auf die Schultern, der
hauptsächlich Brot und getrocknetes Fleisch enthielt. Die
Shakootees dachten nicht daran, den Terranern zu helfen. Ein Teil
blieb in den Sätteln sitzen, der andere Teil sah zu, wie Kamee
und die anderen dem Führer folgten, und schlossen sich dann an.
Der Anführer der Shakootees stieg eine Treppe hinauf. Sie war
so perfekt in die Felswand hineingehauen worden, daß man sie
praktisch erst sah, wenn man unmittelbar vor der Felswand stand.
Kamee nahm die Stufen unter die Füße. Sie ahnte, ,daß
es ein langer Marsch werden würde. Die Treppe war parallel zur
Wand angelegt und4ührte steil in die Höhe. Sobald sie die
Felswand einmal der Breite nach durchlaufen hatte, wechselte sie und
führte nun in der Gegenrichtung nach oben.
Kamee sah nicht nach unten. Links von ihr ragte der Fels in die
Höhe, und es gab nirgendwo einen Halt für die Hände.
Rechts ging es ebenso lotrecht in die Tiefe. Die Treppe war zwar
breit genug, aber man mußte alle Nervenkraft aufbieten, um der
Schwindelgefühle Herr zu werden.
Es war Nachmittag. Die Sonne stand schon recht tief. Bald würde
es dunkel werden.
Das war dann der vierte von zehn Tagen. Noch lebten die
Gefangenen, noch war das Leben von Reginald Bull nicht in Gefahr.
Aber das Risiko wuchs mitjeder Stunde. Kamee zweifelte keinen
Augenblick daran, daß die Shakootees ihre Drohung wahrmachen
würden. Mochte Cachumbar auch geseufzt und geweint haben, mochte
es ihm auch nahe gegangen sein -vollstrecken würde er das
Urteil, so absonderlich es auch zustande gekommen sein mochte.
Immer wieder zermarterte Kamee sich das Gehirn. Was war für
diesen unsinnigen Konflikt eigentlich verantwortlich? Warum
bekämpften die beiden Gruppen sich so sehr?
Mit Überlegungen, die letzten Endes nicht das geringste
einbrachten, beschäftigte sich Kamee während sie immer
höher und höher an der Felswand hinaufkletterte. Sie
versuchte, sich auch die Menschen vorzustellen, die diese
lebensgefährliche Treppe gebaut hatten - auch wenn sie den Sinn
dieser Anlage überhaupt nicht begriff.
Als sie nach Stunden endlich die letzte Stufe absolviert hatte,
war sie dem Zusammenbruch nahe. Sie ließ den Sack auf den Boden
fallen und setzte sich darauf. Ihre Beine zitterten, ihr Atem ging
pfeifend, und vor ihren Augen schienen alle Gegenstände einen
absonderlichen Schaukeltanz aufzuführen.
Nur verschwommen sah sie den Tempel im Abend-licht stehen. Der
Zufall wollte es, daß die Sonne genau hinter dem Bauwerk
unterzugehen schien. Ihre Strahlen umgaben den Bau mit einem Kranz
aus gleißendem Gold. Der Tempel selbst war nur als Silhouette
zu erkennen. Kamee stand auf und legte die Hand über die Augen.
Sie konnte ein paar Einzelheiten erkennen. Säulen, ein
Kuppeldach. Der Tempel konnte recht groß sein, er war einige
Kilometer entfernt und stand auf einer Hochebene, die so glatt war
wie die Felswand, die Kamee gerade heraufgeklettert war - wie mit dem
Messer geschnitten, dachte sie unwillkürlich. ,,Was ist das?"
fragte sie.
Die Antwort des Shakootees war unverständlich, aber in der
knappen Erklärung kam das Wort Shakootee vor - vermutlich ein
Tempel für die Blume oder den Planeten oder das Volk. Kamee
ahnte, daß dieses Bauwerk das Ziel der Reise war.
Der Stein, aus dem der Tempel erbaut worden war, schien von innen
heraus zu glühen, ansonsten wirkte er pechschwarz. Das gab dem
Gebäude einen unheimlichen, beängstigenden Anstrich.
,,Gehen wir heute abend noch hinüber?" fragte Kamee. Auf
der einen Seite hatte sie keine Lust, auch nur einen Schritt zu
gehen, auf der anderen Seite zog sie das rätselhafte Bauwerk wie
magnetisch an.
„Er sagt, man käme nur bei Mondschein hinein",
sagte Cavus und übersetzte so die Bemerkung des Shakootees. Die
Gefährten des Soldaten standen auf dem Plateau und warteten, bis
sich die Terraner von den Anstrengungen des Aufstiegs erholt hatten.
Dann bedeuteten sie ihnen mit knappen Gesten, daß der Marsch
fortgesetzt werden sollte.
Seufzend warf sich Kamee wieder den Lebensmittelsack über die
Schulter. Die Sachen schienen unterwegs sehr viel Wasser gezogen zu
haben; sie fühlten sich dreimal so schwer an wie in den ersten
Minuten, aber Kamee wußte, daß das nur eine Täuschung
war.
Während die Sonne langsam versank, marschierten die Terraner
und ihre Wächter auf den Tempel zu. Im Näherkommen war zu
sehen, daß die Säulen tatsächlich aus
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