PR TB 219 Bote Des Unsterblichen
und ihre
Umgebung. Die Bruderschaft ist gleichzeitig Behüterin und
Schützerin des Ordens der Großen Nährmutter, und die
Priesterin der Nährmutter geht aus der Bruderschaft der
Unabhängigen Frauen hervor. Nur die Priesterin gebietet über
die Verteilung der Nahrung, die aus den Proviantquellen fließt.
Ihr Ordensschwur verpflichtet sie dazu, jedem nach seiner Not zu
geben - ohne Rücksicht darauf, welcher Gruppe er angehört,
und ohne einen Gegenwert dafür zu verlangen.“
Sie schwieg und ließ der erstaunten Menge Zeit, ihre Worte
zu verdauen. Als sie fortfuhr, klang ihre Stimme bitterer als je
zuvor. „Es war an der Zeit, daß die Frauen ihre eigene
Organisation schufen. Ich habe gelitten unter der Starrköpfigkeit
des Mannes, den ich liebte, und unter der tierischen Grausamkeit des
Mannes, den ich am meisten von allen verabscheute. Keine Frau soll
sich solchen Qualen mehr unterziehen müssen Die Bruderschaft der
Unabhängigen Frauen bietet den Geplagten dieser Welt ihre Hilfe
an. Sie mögen zu uns kommen. Wir spenden ihnen Trost.“
Soweit hatte Ragnasuth sie reden lassen, ohne sie auch nur ein
einzigesmal zu unterbrechen. Starr hing sein Auge an Vavajnas stolz
aufgerichteter Gestalt. Er war hilflos. Außer ein paar
Gardisten, die sich unauffällig unter die Menge gemischt hatten,
war von den Festteilnehmern keiner bewaffnet. Die Frauen hatten
eindeutig die Oberhand.
Die Erkenntnis seiner ohnmächtigen Hilflosigkeit war zuviel
für seinen Verstand. Irgendwo in Ragnasuths Bewußtsein
brannte eine Sicherung durch. „Hört euch dieses leere
Geschwätz nicht länger an“, brüllte er, und
Geifer trat ihm dabei auf die Lippen. „Die Stoff gründe
unter der Kontrolle von Weibern, ha!“ Sein suchender Blick fiel
auf Tanathu, der noch immer am Rand der Plattform hockte. „Fragt
den dort“, schrie Ragnasuth. „Er kommt herum und kennt
sich auf dieser Welt aus.“
Tanathu erhob sich gemächlich.
„Ich, der Narr, der ändern nutzlose Ratschläge
erteilt?“ fragte er spöttisch. „Wenn du mich fragst,
ob ich auf deiner Seite oder auf der Seite der Frauen stehe, dann
fällt mir die Antwort leicht. Ich treffe meine Entscheidungen
oft aufgrund von Äußerlichkeiten. Sieh dir Vavajna an.
Dann nimm einen Spiegel und betrachte dein eigenes Gesicht, die
blutunterlaufenen Augen, den lächerlichen Knorpel, der dir als
Nase dient, und du wirst...“
Weiter kam er nicht. Ragnasuth stieß einen Schrei
unbeherrschter Wut aus und stürzte sich auf ihn. Tanathu empfing
ihn mit einem wohlgezielten Schlag. Der Anführer der Wahren
Zaphooren stürzte zu Boden und rührte sich nicht mehr.
Damit war die Wende herbeigeführt. Ohne Anführer war die
Menge noch weniger als zuvor geneigt, den schwerbewaffneten Frauen
Widerstand zu leisten.
Vavajna war an den vorderen Rand der Plattform getreten. Ihre
Frauen kontrollierte sämtliche Zugänge zum Felsenkessel.
Die Menge war in den Hintergrund gedrängt worden.
„Ich bin die erste Priesterin der Großen Nährmutter“,
rief sie, „und dieser hier ist mein Gehilfe. Seine Rolle als
Gewaltherrscher und Ungeheuer ist ausgespielt. Von jetzt an soll er
der Nächstenliebe dienen.“
Ein staunendes Gemurmel erhob sich unter der Menge, als aus dem
Hintergrund eine gigantisch gebaute Gestalt, die in einen weiten,
braunen Umhang gekleidet war, herbeigeführt wurde. Die
Staunenden erkannten Ferlimor, den ehemaligen Anführer der
Unnahbaren.
„Ihr sollt erfahren, wie die Große Nährmutter
wirkt“, fuhr Vavajna fort. „Zehn von euch
sollen vortreten und mit mir kommen.“ Sie legte dem Boten
des Unsterblichen, der neben ihr stand, die Hand auf die Schulter.
„Und auch mein Freund Tanathu soll mich begleiten.“
Die verdutzten Festteilnehmer wählten unter sich eine Gruppe
von zehn Männern und Frauen. Vavajna, begleitet von Tanathu und
ihrem Gehilfen Ferlimor, setzte sich an die Spitze des Zuges, der
sich auf den Schachteingang im Hintergrund der großen Halle
zubewegte. Der Gruppe folgten zwei bewaffnete Frauen, die für
Vavajnas Sicherheit zu sorgen hatten.
Das künstliche Schwerefeld des Schachtes führte sie
sanft und sicher in die Tiefe. Der Schachtausgang öffnete sich
auf einen hell erleuchteten Korridor. Die unbeschreibliche
Ausdünstung des Nahrungsbreis hing noch in der Luft. Nach ein
paar Schritten blieb Vavajna an einer Gangkreuzung stehen.
„Diesen Gestank werdet ihr nicht mehr zu ertragen brauchen“,
erklärte sie mit heller Stimme. „In dieser Richtung
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