PR TB 219 Bote Des Unsterblichen
zusammenband. Die Fesselung ließ noch genug
Seil übrig, an dem er den Bewußtlosen hinter sich
herzerren konnte. Es war ihm gleichgültig, wieviel Kratzer und
Abschürfungen der Unhold sich auf dem Weg über die unebene
Felsleiste zuzog. Tanathu schleppte ihn in das Zelt, in dem er
üblicherweise seine Unterkunft hatte, vervollständigte die
Fesselung und deponierte ihn in dem Verschlag, aus dem er vor nicht
mehr als einer Stunde Ragnasuth befreit hatte. Er hatte seine Zweifel
bezüglich der Art, in der die Wahren Zaphooren mit ihm verfahren
würden. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, als sich darauf zu
verlassen, daß Ragnasuth sich an die Bedingungen erinnern
würde, die er gestellt hatte.
Er hatte keine Zeit zu verlieren. Zweierlei galt es zu finden:
Murcons geheime Proviantmaschinen und Vavajna, die sich offenbar aus
dem Staub gemacht hatte, sobald sich ihr eine Gelegenheit dazu bot.
Tanathu hatte kein einziges ihrer Kleidungsstücke in der Höhle
gefunden - ein beruhigendes Zeichen, denn es wies darauf hin, daß
sie keineswegs in blinder Hast, sondern im Zustand kühler
Überlegung geflohen war.
Tanathu entschloß sich, zuerst nach der jungen Frau zu
suchen. Er hatte keine Ahnung von ihren Plänen. Ihre Flucht kam
für ihn als Überraschung - eine willkommene Überraschung
durchaus, denn nichts wäre ihm mehr zuwider gewesen, als wenn
Vavajna sich auch nur eine Sekunde länger als notwendig in
Ferlimors Nähe hätte aufhalten müssen. Aber sein
Auftrag stand kurz vor dem Abschluß, und es durften sich keine
weiteren Ungewißheiten mehr in den Ablauf der Dinge schleichen.
Er mußte wissen, was Vavajna im Sinn hatte, sonst machte sie
ihm womöglich noch einen Strich durch die Rechnung.
In den nächsten Tagen ereigneten sich eine Reihe merkwürdiger
Dinge. Ragnasuth rückte mit einer Horde von dreihundert Wahren
Zaphooren an und bemächtigte sich des Talkessels, in dem die
Unnahbaren ihren Rausch noch immer nicht ganz ausgeschlafen hatten.
Er fand Ferlimor, nackt und gefesselt, in seinem Zelt und widerstand
der Versuchung, dem Ungeheuer an Ort und Stelle den Garaus zu machen.
Er wollte sich den Gefangenen für eine besondere Gelegenheit
aufbewahren. Vorerst beschränkte er sich darauf, Ferlimor nach
Vavajna zu fragen, von der im ganzen Felsenkessel auch nicht die
Andeutung einer Spur zu finden war. Der ehemalige Anführer der
Unnahbaren wußte nichts über den Verbleib der jungen Frau
- auch dann nicht, als man ihn auspeitschte. Vavajna war spurlos
verschwunden.
Als die berauschten Unnahbaren endlich zu sich kamen, stellte sich
heraus, daß etliche unter ihnen -dreiundzwanzig insgesamt - das
Augenlicht verloren hatten. Auch gab es acht, die überhaupt
nicht mehr aufwachten. Das nächtliche Festgelage hatte ihnen den
Tod gebracht. Das alles waren sehr verwirrende Beobachtungen. Niemand
wußte, warum der Stoff, der von den Nachkömmlingen der
Freibeuter schon seit Jahrhunderten ohne nennenswerte
Begleitwirkungen verzehrt worden war, auf einmal Trunkenheit
verursachte. Ragnasuth war überzeugt, daß die 23 Blinden
und die acht Toten ihr Schicksal unmittelbar dem verdorbenen
Nahrungsbrei verdankten; aber es wäre ihm unmöglich
gewesen, seine Hypothese zu beweisen.
Die besiegten Unnahbaren versicherten ihn ihrer Loyalität und
wurden zunächst für eine mehrwöchige Prüfungsperiode
in die Bruderschaft der Wahren Zaphooren aufgenommen. Um ihre
Botmäßigkeit unter Beweis zu stellen, zeigten die
Unnahbaren ihrem neuen Anführer den Raum, in die die aus den
Stoffgründen kommenden Kanäle sich entleerten. Von nun an
war es für die Zaphooren nicht mehr nötig, den mühevollen
Marsch zu den Stoffgründen selbst zu unternehmen. Sie schickten
ihre Träger, ausgestattet mit den von den Unnahbaren erbeuteten
Trögen, hinab zur Mündung der Kanäle und bedienten
sich dort.
Einen Tag später ereignete sich eine mächtige Explosion,
die bis in den großen Felsenkessel hinauf gespürt wurde.
Als man nachsehen ging, stellte sich heraus, daß das Tor zu den
Stoffgründen gesprengt worden war. Der Eingang war verschüttet.
Es würde Monate, wenn nicht gar Jahre dauern, bis man den Schutt
wieder beiseitegeräumt hatte. Ragnasuth war überrascht,
denn er hatte keine Ahnung, von wem die Sprengung ausgelöst
worden war. Er hatte jedoch von sich aus bereits eine ähnliche
Idee entwickelt. Da die Wahren Zaphooren jetzt wußten, woher
sich der Stoff am einfachsten beziehen ließ, wurde das große
Tor nicht mehr gebraucht. Es war
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