PR TB 220 Die Macht Des Götzen
sie ihre
unkomplizierte, gradlinige Natur, die nach außen hin den
Deckmantel besonderer nüchterner Strebsamkeit erhielt. Ihr Vater
hatte ihr wahres Wesen nie ganz begriffen; wie die meisten Väter
sah er über alles hinweg, was ihm nicht genehm war. Nelda war
als
einziges Kind dazu bestimmt, einmal die Leitung der Jones-Werke zu
übernehmen, und ihre scheinbare Nüchternheit ließ sie
dafür als besonders geeignet gelten.
Sie wäre jedoch keine echte Frau gewesen, hätte sie
nicht auch einen gewissen Hang zur Romantik besessen, und gerade der
spielte ihr einen bösen Streich. Er führte sie in die Ehe
mit Mel Epler, einem gut aussehenden Angestellten ihres Vaters, der
aber nichts weiter als ein Blender gewesen war. Er hatte Nelda nur
umworben, weil er sich von der Verbindung mit ihr materielle Vorteile
erhoffte, und seine Rechnung war auch aufgegangen. Elvar Jones hatte
seinem Schwiegersohn die Leitung eines seiner Werke übertragen,
und Mel hatte diese Stellung auch prompt weidlich ausgenutzt.
Davon hatte die junge Frau nichts gewußt. Sie hatte nur
gespürt, daß er sich nach einer Kurze Phase der
Leidenschaft merklich von ihr zurückzog, doch zu diesem
Zeitpunkt war sie bereits schwanger gewesen. Sie hatte erhofft, ihr
Kind würde ihn wieder enger an sie binden, aber das genaue
Gegenteil war eingetreten. Es war kein Sohn geworden, sondern „nur"
eine Tochter, Epler hatte darauf mit offener Enttäuschung
reagiert und sich seiner Frau noch mehr entfremdet.
Er hatte damit gerechnet, daß sie resignieren und
keinen Eklat riskieren würde, aber genau das Gegenteil war
eingetreten. Neldas Verliebtheit war verflogen, sie sah ihn nun so,
wie er wirklich war, und leitete ie Auflösung dieser Ehe ein.
Sehr zum Verdruß ihres Vaters, der die clevere Art seines
Schwiegersohnes schätzte und ihr Vorwürfe gemacht hatte -
bis nach dessen schnellem Verschwinden von Carynga offenbar wurde,
wie clever Mel Epler gewesen war... Das alles lag nun weit zurück.
Neldas Mutter war schon vor acht Jahren Opfer eines Bootsunglücks
im Südmeer geworden, ihr Vater starb, als die Elektronik seines
Gleiters aus unbekannter Ursache versagt hatte. Die junge Frau hatte
aber auch diesen neuen Schicksalsschlag überwunden, indem sie
sich in die Arbeit stürzte und dabei viel Geschick bewies. Unter
ihrer Führung florierten die Jones-Werke besser als je zuvor,
und das brachte ihr allgemeine Anerkennung ein. Sie gipfelte
schließlich darin, daß sie vom Parlamentspräsidenten
als Nachfolger ihres Vaters vorgeschlagen und vom Plenum fast
einstimmig dazu gewählt wurde.
Sie hatte schon früher Einblick in die Amtsgeschäfte
gehabt und nahm diese Wahl ohne langes Überlegen an. Der
Gouverneursposten brachte auf dieser entlegenen Welt zwar viel
Ansehen, jedoch nur wenig Arbeit mit sich; was sie unbedingt wissen
mußte, wurde ihr von Terra aus über Hyperfunk mitgeteilt.
Meist war es so wenig, daß sie sich am Morgen nur eine Stunde
im Gouverneurspalast aufhielt, ihren Bürokräften kurze
Anweisungen ab und dann sofort zur Zentrale der Jones-Werke flog.
Dort saßen langjährige und bewährte Mitarbeiter,
bei denen der Schock der Veruntreuungen Mel Eplers noch immer
nachwirkte. Ihnen hatte es Nelda zu verdanken, daß ihre Firma
sich innerhalb kurzer Zeit wieder aus den roten Zahlen
herausgearbeitet hatte, so daß der Rückschlag ohne Folgen
für die mehr als zehntausend Beschäftigten geblieben war.
Fast immer konnte sich die junge Frau schon um die Mittagszeit wieder
in ihr Haus zurückziehen, das sich inmitten der ausgedehnten
Parkanlagen im Norden der Hauptstadt befand.
Dort widmete sie sich dann ganz ihrer Tochter, die während
des Vormittags von einer jungen Erzieherin betreut wurde. Henny Jones
hatte von ihrem Vater nicht mehr als die kräftige Statur und das
blonde Haar geerbt, ihre Gesichtszüge glichen denen ihrer
Mutter, die war in gleichem Ausmaß lebhaft und intelligent,
ihre Fragen konnten die Erwachsenen oft bis zum Rand der Verzweiflung
bringen. Nelda brachte ihr viel Liebe und Verständnis entgegen,
lenkte sie aber behutsam in Bahnen, die
ihrer eigenen Erziehung in vielem widersprachen. Sie wollte dem
Charakter des Mädchens Gelegenheit bieten, sich frei zu
entfalten, ganz ohne die konventionellen Zwänge, denen sie
früher ausgesetzt gewesen war.
Im Augenblick hatte sie jedoch nur wenig Zeit für ihre
Tochter. Das 500. Jubiläum der Besiedlung Carnygas warf auf dem
Planeten seit Monaten seine Schatten voraus.
Die vier im
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