PR TB 220 Die Macht Des Götzen
Bodenschleuse warteten bereits die 24 Männer,
in Ausgehanzügen und ohne Waffen. Auch Reginald Bull trug
nachlanger Zeit wieder einmal seine Marschall-Extrauniform, während
er sich sonst meist mit einer legeren, halb zivilen Kleidung
begnügte. Ein junger Leutnant machte Meldung, dann glitt die
Schleuse auf, und Lin Roscoe gab seine Befehle. Das „Spalierkommando"
eilte die Rampe hinab und nahm Aufstellung, Bully rückte noch
einmal seine Mütze zurecht und begab sich dann ebenfalls auf den
Weg hinaus, von Ras Tschubai und den beiden Offizieren gefolgt.
Warme, würzige Luft schlug ihm entgegen, helles Sonnenlicht
zwang ihn dazu, die Augen zuzukneifen. So nahm er nur undeutlich
wahr, daß sich vom Kontrollturm her eine Gruppe von Menschen
dem Schiff näherte, sich dann auseinanderzog und stehen blieb.
Im nächsten Moment klang laut schmetternde Musik auf, die
Anfangstakte der HYMNE AUF TERRA drangen in verfremdeter, leicht
beschwingter Weise an seine Ohren. Allerdings nur für wenige
Sekunden, dann gingen sie in eine Melodie über, die bereits in
seiner Jugend ein „alter Hut" gewesen war:
„When the saints go marching in...", erklang es laut
und deutlich, im unverkennbaren New Orleans-Sound des frühen 20.
Jahrhunderts. Bull bewegte sich mechanisch weiter, riß die
Augen wieder auf und starrte verblüfft auf die etwa zwanzig
Musiker mit Instrumenten, die es seit dem totalen Triumph der
Synthesizer sonst praktisch nirgends mehr gab. Alte, längst
verschüttet geglaubte Erinnerungen stiegen in ihm auf, er
unterdrückte sie unwillig und ging durch das Spalier
strammstehender Raumfahrer auf die drei Personen zu, die sich etwa
zehn Meter vor der Dixieband befanden.
Er sah einen älteren, grauhaarigen Mann in einem dunklen
Anzug, dessen neutrale Miene sofort den erfahrenen Politiker verriet.
Neben ihm stand eine schlanke, mittelgroße junge Frau mit
ovalem sonnengebräuntem Gesicht, ausdrucksvollen dunklen Augen
und kurzem, leicht gewelltem brünetten Haar. Sie trug ein
lichtblaues kurzes Kostüm, das ein Paar wohlgeformter Beine
sehen ließ, und hielt an ihrer linken Hand ein kleines blondes
Mädchen mit blondem Haar, in einem luftigen bunten Kleid.
Dies war ein mehr als unerwarteter Anblick, und Reginald Bull kam
sich dagegen in seiner Paradeuniform fast lächerlich vor. Er
blieb kurz vor dieser Gruppe stehen, und zu seiner Erleichterung
verstummte im gleichen Augenblick auch die Oldtimermusik. Die junge
Frau sah ihn lächelnd an und sagte dann mit wohlklingender
Altstimme:
„Willkommen auf Carynga, Herr Staatsmarschall! Mein Name ist
Nelda Jones, derzeit Gouverneur dieser Welt, und dies ist Mr. Val
Erwing, unser Regierungschef. Die Kleine an meiner Hand ist meine
Tochter Henny, die nicht eher Ruhe gegeben hat, bis sie hierher
mitkommen durfte. Das stand zwar nicht in meinem Programm, aber als
Mutter hat man es manchmal wirklich schwer."
Bully war zwar kein „Sofortumschalter", wie Perry
Rhodan, aber im Lauf der Jahrhunderte hatte er doch einiges von
seinem Freund gelernt. So sehr ihn diese mehr als unkonventionelle
Art des Empfangs auch verblüffte, es gelang ihm doch, seine Züge
unter Kontrolle zu halten und seinen Unterkiefer am Herabfallen zu
hindern. Zu seinem Glück, das wurde ihm gleich darauf klar,
als er das Aufnahmeteam des Videofunks auf dem Dach des Towers
bemerkte. Wenn das Bild eines total fassungslosen Staatsgasts über
alle Stationen gegangen wäre...
Dafür waren jetzt aber alle Redewendungen überflüssig,
die er sich zurechtgelegt hatte, keine davon paßte auf diese
Situation. Doch Bull redete ohnehin viel lieber so, wie ihm „der
Schnabel gewachsen" war, und plötzlich begann dies alles
ihm Spaß zu machen. Wenn diese Leute die leichte Art
bevorzugen, warum soll ich dann nicht mitspielen? dachte er amüsiert.
Er tippte kurz an seine Mütze, nahm dann die ihm dargebotene
Rechte der Gouverneurin und beugte sich galant darüber wie er es
von Roi Danton her kannte. Dann reichte er dem Premier kurz die Hand
und erklärte mit leichtem Lächeln:
„Vielen Dank für Ihre Einladung, Miß Jones, wenn
sie eigentlich auch Perry Rhodan gegolten hat. Der Großadministrator
ist leider durch Regierungsgeschäfte verhindert, auch bei ihm
läuft eben nicht immer alles so, wie es soll. Dafür habe
ich nun die Freude, Ihre schöne Welt zu sehen, die durch Ihren
Anblick noch gesteigert wird."
„Oh, Sie sind ja ein Schmeichler, Herr Marschall!"
stelle Nelda Jones überrascht fest. Sie wollte noch
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