PR TB 224 Die Verschwundenen Von Arkona
Warum bin immer ich es,
der als kleiner Erdenmensch kosmische Bedeutung erlangen muß?”
Da war er wieder, der Zwiespalt, den Carfesch seit seinem
Eintreffen auf Terra an ihm beobachtete. Ohne daß jemand es
merkte, war er Anzeichen für einen inneren Reifungsprozeß,
den Rhodan durchmachte.
„Du bist daran gewöhnt. Daß du jetzt zweifelst,
ist der Ausnahmefall”, erklärte Carfesch und zog sein
Gegenüber in den zwingenden Bann seiner Stimme. „Die Erde
ist der Auslöser für dein Verhalten. Du warst zu lange von
ihr getrennt und bildest dir ein, keiner mehr von ihnen zu sein. Und
du hast keine Familie, zu der du nach der Heimkehr gehen konntest!”
„Habe ich nicht einen Sohn?” fragte Rhodan.
„Doch, einen unsterblichen”, erwiderte Carfesch.
„Erkennst du den Unterschied? Du wirst immer in dem Zwiespalt
leben, ein Mensch und doch unsterblich zu sein!”
Rhodan schluckte. Er wußte, daß es für einen
Menschen, dessen Leben durch den Zellaktivator unbegrenzt verlängert
werden konnte, schwer war, ein gewöhnliches Leben zu führen.
Drei Ehen hatten ihn gelehrt, daß er von dem wirklichen Glück
ausgeschlossen war. Er hatte sich im Lauf der Jahrhunderte damit
abgefunden. Jetzt aber traf es ihn.
„Der Zwiespalt ist das Menschliche an dir, Rhodan”,
sagte Carfesch. „Du hast nie vergessen, daß du einer von
ihnen bist, von dieser kleinen Welt! Und nun glaubst du plötzlich
nicht mehr daran?”
Das Summen des Interkoms riß ihn unsanft aus seinen
Überlegungen. Perry Rhodan raffte sich auf und stieß sich
aus dem Sessel empor, in dem er gesessen hatte. Er trug jetzt die
lindgrüne Kombination der Solaren Flotte, die er auch an Bord
der BASIS immer getragen hatte. Er trat zu dem Gerät und
musterte die Leuchtanzeigen.
„Ein dringender Anruf von Imperium Alpha”, flüsterte
er. „Was mag Tif f von mir wollen?”
Er zählte die Tage nicht, die er allein in seinen vier Wänden
verbracht hatte. Ungestört. Nicht einmal Car-fesch war
vorbeigekommen. Der Sorgore besaß einen hohen Grad an
Einfühlungsvermögen und Verständnis. Rhodan hatte die
Zeit
benutzt, nachzudenken über alles, was er mit dem
Extraterrestrier besprochen hatte. Er versuchte nachträglich
herauszufinden, wie der Sorgore die Betonungen gesetzt hatte. Ein
hervorragender Psychologe, überlegte er. So, als würde er
die Menschheit genau kennen. Plötzlich begann Rhodan zu lachen.
Er schlug sich gegen die Stirn.
„Er kennt die Menschheit sehr gut”, rief er aus, „er
hat doch die Konzepte erlebt, die in ES aufgegangen sind!”
Rhodan wandte sich vom Interkom ab. Er ließ den
automatischen Anrufbeantworter sein Verslein weiter aufsagen, daß
der Wohnungsinhaber zur Zeit nicht zu erreichen sei. Der wichtigste
Mann der Menschheit setzte sich wieder in den Sessel zurück. Je
länger er nachdachte, desto deutlicher wurde ihm bewußt,
wie wertvoll Carfesch für ihn war, und bestimmt auch für
die Menschheit. Der Sorgore versuchte ihn sicherlich zu beeinflussen,
mit Hilfe der hypnotischen Wirkung seiner Stimme im Sinn von ES zu
lenken. Das war gar nicht falsch.
Was bringt es mir, fragte sich Rhodan, wenn ich mich weiter
sträube, keine Bereitschaft erkennen lasse? Schon einmal hatte
ihm die Bereitschaft gefehlt, als er zu ES gerufen worden war. Der
Aufbau der Kosmischen Hanse war dringend erforderlich. Heute mehr als
vor einem Vierteljahr. Die Zeitspanne, die ES eingeräumt hatte,
war vernachlässigbar. Seth-Apophis konnte überall und immer
zuschlagen.
Gleichzeitig spürte Rhodan, daß er nach der psychischen
Auslotung durch Carf esch eine Ruhepause benötigte. Danach würde
er genug Abstand zu den Ereignissen der nahen Vergangenheit gewonnen
haben, um mit aller Kraft an der Verwirklichung seiner neuen Aufgabe
wirken zu können. Die Probleme würden sich zu hohen Bergen
auftürmen, die erst unüberwindlich schienen.
Carf esch hatte recht, es gab keine Probleme, die nicht bewältigt
werden konnten. Nur über eines war Rhodan sich noch im unklaren.
Sein Aufenthalt in ES, war er Geschenk, Opfer oder gar Abschied
gewesen? Das Geistwesen hatte in Rätseln gesprochen, und Rhodan
befürchtete, den heimlichen Mentor der Menschheit eines Tages im
Kampf der Mächte
untereinander verlieren zu müssen. Was würde die Zukunft
für die Superintel-ligenz bringen?
„Du bist erschöpft, du benötigst für einige
Zeit Ruhe”, sagte eine melodische Stimme von der offenen
Terrassentür her. Carf esch trat ein, eine Woge warmer
Frühjahrsluft
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