PR TB 226 Krisensektor Dreigestirn
Lebensenergie. Bisher war der Spezialist
nicht dahintergekommen, wie das geschah. Hinterher war er immer
ziemlich geschwächt. Die verlorenen Kräfte regenerierten
sich aber erfreulich rasch.
„Fluchtfrau?“ fragte Kasom gedehnt.
Schweigen.
Der Oberst öffnete die Augen. Splinter lag wie tot in seiner
Handfläche, völlig starr.
Kasom legte ihn vorsichtig in den Kasten zurück und ließ
den Verschluß einrasten. Was jetzt im Innern des Würfels
vor sich ging, entzog sich seiner Vorstellungskraft. Es war immer
wieder dasselbe. Nach kurzer Aktivität verfiel Splinter in eine
Art Totenstarre, die unterschiedlich lange andauerte. Kasom hegte den
Verdacht, daß der Symbiont in dieser Zeit an den Energien
zehrte, die er von seinem Wirt aufgenommen hatte. Was er damit tat,
ahnte Kasom jedoch nicht.
„... Oberst Kasom?“
Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß die Stimme schon zum
wiederholten Mal seinen Namen gerufen haben mußte. Kasom
erkannte den Kommandanten, Konraddin.
Er wandte sich zu dem in der Wand installierten Sprechgerät.
„Ja?“
„Wir starten“, erklärte der Schiffskommandant.
„Kommen Sie in die Zentrale?“
Kasom überlegte kurz.
„Ich komme“, sagte er dann.
Er warf dem schwarzen Kasten einen letzten Blick zu und verließ
dann die Kabine.
Zwei Begriffe beschäftigten ihn. Begriffe, die ihm Splinter
übermittelt hatte. Dreigestirn und Fluchtfrau...
Ersteres war das Ziel ihrer Mission. Und das zweite...?
Kasom ahnte nicht, wie bald er es erfahren sollte...
In der Zentrale der NIFLHEIM herrschte die Hektik, die für
jeden Start eines Raumschiffs bezeichnend war. Ein flüchtiger
Blick auf den Panoramabildschirm zeigte Kasom, daß sie Terra
bereits hinter sich gelassen hatten. Der Heimatplanet der Terraner
hob sich nur noch fußballgroß gegen das lackschwarze All
ab.
„Erstes Linearflugmanöver einleiten!“ hörte
er Konraddins Stimme.
„Manöver eingeleitet, Sir.“
Unwillkürlich mußte Kasom an alte Zeiten denken, von
denen er nur noch in den Geschichtsseminaren der Raumakademie gehört
hatte. Damals sollte es noch zu den Pflichten eines Raumschiffers
gehört haben, erst hinter der Plutobahn auf Sternenfahrt zu
gehen, um das empfindliche Gefüge des Solsystems nicht zu
stören. Das war zu Zeiten der mittlerweile veralteten
Transitionstechnik der Fall gewesen,
durch die oftmals starke Strukturerschütterungen ausgelöst
worden waren. Beim Linearflug entfielen solche Effekte.
„Übergang!“ befahl Konraddin.
Im nächsten Moment veränderte sich das Bild auf den
Schirmen völlig. Wo eben noch vertraute Raumschwärze und
das Funkeln naher und ferner Sterne zu sehen gewesen war, gab es
jetzt nur noch ein verwaschenes Etwas, das von der Projektion rötlich
wiedergegeben wurde. Das war der Halbraum, jene nebelhafte Sphäre
zwischen der vierten und fünften Dimension, die von den
Kalupkonvertern ausgenutzt wurde, um das Schiff in einem Raumgefüge
zu bewegen, in dem die Lichtgeschwindigkeit die langsamste aller
Tempi war.
Die Erscheinung berührte Kasom wenig. Er kannte sie zur
Genüge; sie bot ihm keinerlei Reiz mehr. Auch Kommandant
Konraddin wußte dies mit Sicherheit. Die Bitte an Kasom, dem
Start und dem Übergang in den Linearraum in der Zentrale
beizuwohnen, war weniger ein „Geschenk“ an Kasom, sondern
mehr der Wunsch Konraddins, einen so berühmten Spezialisten in
seiner unmittelbaren Nähe zu haben.
Jetzt, da alles vorüber war, schwenkte Konraddin mit seinem
Drehsitz zu Kasom herum. „Wir werden drei Lichtmonate vor dem
Dreisonnen-System wieder austreten“, sagte er.
Kasom grinste spöttisch. „Austreten, soso“,
brummte er mit seiner dröhnenden Stimme. Konraddin bekam
feuerrote Ohren. „Aus dem Halbraum, Oberst“, versicherte
er hastig.
Kasom nickte ihm gönnerhaft zu. „Woraus auch sonst?“
Konraddin fing sich wieder. „Nach dem Austritt orten wir aus
der Ferne und gleiten dann bedächtig hinüber zu den drei
Sonnen. Sind die wirklich so künstlich zusammengefügt, wie
es aussieht, Oberst?“
Kasom zuckte mit den überbreiten Schultern. „Was weiß
ich? Ich habe zwar die Filmberichte und gespeicherten Daten gesichtet
und mir auch die Analysen unserer Eierköpfe zu Gemüte
geführt, aber schlauer bin ich daraus auch nicht geworden. Hat
Ihnen der Alte nichts gesagt?“
Konraddin grinste. „Nein“, sagte er.
„Auch gut. Je weniger der einzelne weiß, desto weniger
kann er auch falsch machen. Ich weiß überhaupt nichts,
also mache ich auch nichts
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