PR TB 227 Wolken Des Todes
Ptah", sagte ich. „Ich denke, wir
warten. Oder eilt es euch?"
„Niemandem!"
Es war eine der vielen Buchten, die niemand kannte außer
einigen Seefahrern. Ein winziger Strand, keine hundert Schritt lang
und fast ein Dreiviertelkreis, eine winzige Quelle am unteren Ende
des Hanges, Schatten am Morgen und am Abend, nach Norden offen und
gegen Stürme aus anderen Richtungen einigermaßen
geschützt. Namenlos, weit entfernt von jeder menschlichen
Siedlung. Ocir hatte mehr als einen Tag gebraucht, um den Platz zu
finden. Die AXT war ein Zwanzigruderer, zehn Riemen an jeder Seite.
Sie hatte im Gegensatz zu den phönizischen Schiffen ein
durchgehendes Deck. Wasser, das nicht eindringen und hereinschlagen
konnte, brauchte man nicht hinauszuschöpfen. Für meine
Augen war die AXT DES MELKART von ES hergestellt und ein absolutes
Meisterwerk. Wir waren mehrmals unter das Heck getaucht und hatten
sehen können, daß das Schiff einen tief heruntergezogenen
Kiel hatte, der mit dünnem Kupferblech beschlagen war. Darüber
bis zur Wasserlinie waren die Planken mit Asphalt und Wachs
bestrichen und trotzdem glatt wie ein Kieselstein. Die Bohrwurmlarven
hatten wohl schlechte Zeiten in unseren Planken.
Hinter uns, neben dem Ruder, war eine der kleineren Karten mit
zwei Dolchen an Deck aufgespießt. Ich sah zwei annähernd
runde Flächen verzeichnet, unzweifelhaft unsere beiden nächsten
Ziele. Die kleinere Wolke, die von einer Höhenströmung der
Luft nach Osten ausuferte, hing über der Meerenge zwischen
Binnenmeer und westlichem Ozean, über den Felsen, die von den
Phöniziern die „Säulen des Melkart" genannt
wurden. Die zweite Wolke auf dieser Karte lag oder schwebte weit im
Osten, halb über dem Meer, das sich jenseits von Troja befand,
an den Gestaden der Skythen - dort war, wie ES mich hatte verstehen
lassen, noch kein Schiff der Phönizier gelandet.
„Es gibt für uns zwei Möglichkeiten", sagte
ich. „Entweder wird uns bald eine Mannschaft hierher geschickt,
oder wir müssen tatsächlich nach Tyros segeln."
„Durch die Wirbel vor der Nilmündung etwa?" fragte
Ocir zweifelnd.
„Unterschätze die versteckten Einrichtungen der AXT
nicht", sagte ich. Wenn du am Ruder stehst, Ptah und Tabarna
sich ums Segel kümmern und ich die Steuerung im Bug übernehme...
es ist nicht weit bis nach Tyros."
„Drei Tage etwa bei günstigem Wind?" schätzte
Charis. Ocir stimmte zu. Ich nickte und murmelte:
„Warum eigentlich nicht? ES wird dafür sorgen, daß
König Hiram uns gebührend empfangen wird. Ich bin ganz
sicher."
„Wir ziehen morgen früh den Anker auf?" fragte
Tabarna aufgeregt. „Ich habe solche Schiffe nur am untersten
Lauf des Uruttu gesehen. Niemals setzte ich meinen Fuß auf die
Bretter eines solchen Schiffes.
„Es heißt Planken!" verbesserte ihn der Ägypter.
„Du wirst noch die herrliche Seefahrt zu verfluchen lernen. So
ruhig, sonnig und windarm ist das Meer nur selten."
„Ich habe keine Angst!"
„Recht so!" sagte ich. „Morgen früh also.
Ich schwimme ein paar Runden und lege mich im Sand zum Schlaf. Weckt
mich, wenn uns Piraten überfallen."
„Keine Sorge. Ptah, Ocir und ich wehren sie ab!" rief
lachend Tabarna. Ich hob die Arme und sprang vom Bug in einem
langgestreckten Satz ins Wasser. Wir waren -wieder einmal? - nahe
daran, uns in Seenomaden zu verwandeln. Den Rest des Tages
verbrachten wir schwimmend und schlafend, untersuchten jeden Winkel
des herrlichen Schiffes, sichteten die Vorräte und besonders die
großen Krüge, in denen Nahrungsmittel wasserfest
eingesiegelt waren. Die Krüge hatten dicke Henkel mit kleinen
Löchern, durch die Tauwerk gezogen wurde. Mehrere Schläge
hielten die Krüge federnd und sicher an Holzteilen. Wir legten
unseren Kurs fest und suchten
auf den feiner ausgearbeiteten Karten nach Buchten oder Stranden,
an die wir uns flüchten konnten. Jeder suchte sich an Deck oder
darunter einen Winkel, breitete seine Decken und Mäntel aus oder
knüpfte die schaukelnde Matte fest. Ocirs unübertrefflicher
Computerverstand würde nicht nur die Navigation besser als jeder
andere besorgen, der Mondroboter weckte uns auch vor Morgengrauen,
als er bereits aus Treibholz ein Feuer entfacht und einen Imbiß
vorbereitet hatte.
Dann zogen wir den Anker auf, eine Konstruktion aus Hartholz mit
Bleiseele, zurrten ihn fest, und Ocir stemmte den Bug der AXT vom
Strand weg. Mit einem blitzschnellen Klimmzug schwang er sich dicht
hinter dem geschwungenen Bug an Bord, und dann brachte ich
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