PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten
Einer von ihnen wandte den Blick ab und sagte: »Sie wird den Eingriff nicht überleben. Wer immer es tut...«
Plötzlich spürte Rhodan den Katar in seiner Hand. Sein Arm zitterte leicht, und er pumpte Plasma aus der Gebildegrube nach und stabilisierte ihn.
Wohin mit dem Stoßdolch? Wie?
»Ich schließe jetzt meine Augen«, sagte Mory. Sie tat es. »Jetzt habe ich nur noch deine Augen. Wie sehen unsre Kinder aus?«
Rhodan schaute in die Brutwiegen.
Mory fragte: »In deinen Augen. Wie sehen sie aus?«
»Bezaubernd oder liebenswert«, sagte er leise.
Einer der Gui-Col-Mediker war hinter ihn getreten und flüsterte: »Sollen wir sie narkotisieren?«
»Nein«, hauchte Mory, deren Sinne unstillbar waren, lebenshungrig wie noch nie. Die keinen Moment vergeuden wollte. Selbst nicht, wenn er schmerzerfüllt war bis an den Rand. Und endlich überfloss.
»Nein«, entschied Rhodan. Wie kann ich das sagen? Wie kann ich das denken?
»Wenn du die Lymphherzkränze hier durchtrennst...«- und der Mediker wies mit einem vorsichtig dürren Arm auf die Stelle -,»... wird sie kaum Schmerz leiden.«
»Die Zeit verrinnt«, mahnte ein anderer Mediker. »Eine Sauerstoffunterbrechung... «
Rhodan setzte den Katar an.
Er wollte es. Er wollte es nicht. Seine Mnemoarchitektur, der ganze Bau seines Gedächtnisses geriet aus den Fugen. Seine Erinnerungen verdrehten, verformten sich, rutschten durcheinander, zerschellten aneinander. Mory. Die CREST III. Gleam. Der Katar. Suzan und Xeiri. Chiyme und Michael. Bürgermeister Zatronija, der Vodyanoi, der um das Leben seines Kindes bat. All die anderen, die ihn um das Leben ihrer Kinder gebeten hatten. Gynäkologische Notfälle gibt es nicht. Das Grab auf dem Schulhof. Die eine Zigarette, die ganz Andromeda erobern würde.
Wer bin ich noch, wenn ich das tue? Welche andere Wahl habe ich? Chiyme und Xeiri - seine Töchter.
War es nicht leicht, auf eine eigentümliche Art? Machte es ihm diese Welt nicht herrlich leicht? Waren nicht Mory und Chiyme und Xeiri längst tot? Tot seit Jahrtausenden? Waren nicht alle längst tot? Hortete er nicht nur die Geister der Toten in seinem Gedächtnis? Die Seelengäste?
Was für ein Gastgeber war er?
Es musste geradezu unfasslich leicht sein.
Er nickte und setzte die Spitze des Dolches erneut auf die Stelle, die der Mediker ihm gewiesen hatte.
»Tu es«, sagte er sich selbst. Sagte er es sich selbst? Mit wessen Stimme?
»Tu es, Tributier«, sagte der Mediker. »Tu es jetzt.«
Wenn ich es tue, dachte Perry Rhodan, werde ich getan haben, was er getan hat. Werde ich sein wie er. Werde ich er sein. Der Tributier. Werde ich mich selbst verlieren.
Das ist der Sinn des Duells, erkannte er. Einer von uns beiden wird sich im anderen verlieren.
Er schrie: »Und das werde nicht ich sein.«
Er sah den Schuss, der Suzan Betty traf, einen zweiten und einen dritten Schuss, er sah seine Tochter sterben. Er hörte sie ein letztes Mal »Dad« sagen, so leise, so durch die Zeiten gedämpft, und doch mit einem unauslöschlichen Widerhall mitten in ihm, dort, wo er geglaubt hatte, er selbst und nur er selbst zu sein, verborgen, unantastbar, der Mensch Perry Rhodan. Dort und gerade dort pflanzte das Leid seine Standarte auf, errichtete sein Imperium.
Ich nehme es an, sagte er. Ich war nicht bei ihr. Ich akzeptiere, dass ich nicht bei ihr war, dass ich sie dort alleingelassen habe. Dass ich in meinem Leben nichts Schlimmeres getan habe, als sie dort alleingelassen zu haben. Ich nehme die Erinnerung auf mich. Er sah Cha Panggu - und es war Cha
Panggu und nichts und niemand anderes - den Dolch in den Leib der Gui-Col-Mutter stoßen, wenige Minuten nachdem sie geboren hatte. Er sah, wie die Panither Mory erschossen. Er war abwesend. Er sagte: Ich nehme es an. Ich war nicht bei ihr. Ich akzeptiere, dass ich nicht bei ihr war, dass ich sie dort alleingelassen habe. Dass ich in meinem Leben nichts Schlimmeres getan habe, als sie dort alleingelassen zu haben. Ich nehme die Erinnerung auf mich. Er sah, wie die Mediker das Schädeldach der Gui Col entfernten, achtlos zu Boden fallen ließen, ihr Gehirn tranchierten, wie sie blutige, triefende Organteile entnahmen, wie zugleich die Medomaschinen die Säuglinge operierten. Er hörte Cha Panggu kreischen, dass man gefälligst auch seine Frau versorgen sollte, sie retten, dass man von ihr zu retten hätte, was zu retten wäre, und sei es ein einziges Organ, eine einzige Zelle. Er hörte die Medomaschine in ihrer weichen,
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