PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten
ungeschlachten Ghourimen.
»Warum dulden sie euch auf ihren Dächern?«
»Warum nicht? Hagochia ist nicht die einzige Firststadt im Sektor. Nicht einmal die größte. Prenntoc zum Beispiel...«
Cha Panggu winkte unwillig ab. »Antworte.«
»Wir leben reibungslos mit den Ghourimen zusammen. Wir oben, sie unten. Sie sind überhaupt eher bodenständig. Vielleicht manchmal etwas snobistisch.« Sie lachte auf. »Einige von ihnen halten sich sogar Sidhees.«
»Aha«, sagte Cha Panggu. Was immer Sidhees sein mochten. Er schaute sich um. »Ihr lebt wie Abfall. Von Abfall. Wie Parasiten auf den Köpfen der Ghourimen.«
Dy Achini vollführte mit dem Arm eine wellenförmige Bewegung. »Wenn schon.« Sie zog eine geflochtene Decke vom Eingang einer Hütte fort. »Mein Palais«, sagte sie und trat ein. Cha Panggu folgte ihr.
Eine Klimaanlage; ein offenbar defekter Holoprojektor, der ein immer wieder zusammenbrechendes Bild eines jungen, sich verwegen gebenden, mit einem Säbel herumfuchtelnden Gui Col projizierte; ein Tisch, auf dem Spielfiguren für Glazz und Pendroum wild durcheinandergeworfen waren. Ein offenes Abflussrohr im Boden ersetzte die Toilette. Das Herzstück des Zimmers war eine rechnergesteuerte Schmiegeliege mit Infusionsgerätschaften. Er las die Aufschrift der aufgehängten Ampulle: Temdeskal. Ein mittelschwerer Euphoriespender. Wie wir es den Cyberoiden hin und wieder verabreichen. »Hast du das nötig?«, fragte er.
Dy lachte. Sie schaltete den Holoprojektor aus, legte Stück für Stück ihre Kleidung ab und warf sie achtlos auf den Boden. Sie hockte sich nackt über das Abflussrohr und ließ Wasser. Es dauerte. Sie hielt die Grubenaugen geschlossen. Lächelte, schwieg, lauschte sich selbst, dem Klirren ihres Urins im Rohr. Dann fuhr sie ein zartes, unsagbar schönes Ärmchen aus, griff nach einem Intimschwamm und reinigte sich. »Gleich?«, fragte sie, richtete sich auf und schob eine Deckpappe über das Latrinenrohr.
»Gleich«, sagte er und zog sich aus. Er legte den Faustdolch sorgfältig zuoberst auf den Kleiderhaufen. »Am besten ist es gleich.«
Sie warf einen Blick auf den Katar auf seinen Kleidern. »Weil wir morgen sterben könnten?«
»Weil wir jeden Tag sterben könnten.«
Einmal, tief in der Nacht, wachte er auf. Die junge Gui Col war allen Beteuerungen zum Trotz eingeschlafen. Natur. Unsere Prinzipalin, dachte er. Was sind wir denn: unserer Raumschiffe entkleidet, unserer Rüstungen: Was sind wir denn? Er glitt aus dem Bett, ohne Dy zu wecken, wusch sich das Blut von der Gesichtsfolie und trat auf das Dach. Er schaute hinauf in den blinden Himmel, an dem nichts als die beiden Monde standen, Lichtoasen in der dunklen Wüstenei über Airmid.
Wie kann man leben ohne den Lockruf der Sterne?
Sofort lachte er über den Gedanken. Man konnte hervorragend leben. Bakterien lebten zuhauf, trillionenfach, jahrhunderttausendelang, ohne einen einzigen Gedanken an die Photonenfeuerwerke ferner Gasfusionsöfen zu verschwenden.
Lebten ohne einen einzigen Gedanken.
Lebten.
Er schaute in die Straße hinab, wo der Verkehr deutlich zugenommen hatte. Die Ghourimen wurden anscheinend erst in der Nacht munter.
Er hörte in den anderen Hütten die Gui Col tun, was Gui Col in der Nacht taten, die soziale Symphonie lebens- und arterhaltender Geräusche; er roch ihre arttypischen Düfte, roch die flüchtige Liebe, das schwärende Begehren, die Gier der Neugeborenen, den Moder, der aus den Alpdrücken und dem Traumgefasel der Alten stieg.
Er ging zurück in die Hütte, stieß sein Bein an dem defekten Holoprojektor, verkniff sich den Schmerzlaut, zog die Haut über die Gebildegrube, um keinen Peinduft zu verbreiten, der sie hätte wecken können.
Er griff den Katar, setzte sich neben Dy, zog die Thermoplane von ihrem Oberkörper und schrieb mit dem Dolch leichte, spurenlose Zeichen auf die nackte, knisternde Haut ihres Rückens. Weiter nach oben. Er suchte die Stelle auf, wo sich die Schlagader teilte und in die beiden Hirnzapfen führte. Ein Schnitt...
»Ich bin hellwach«, murmelte sie schläfrig.
»Ich weiß«, sagte er, legte sich zu ihr, ließ den Katar lautlos zu Boden gleiten und fügte ihren Körper so, dass sich ihre Gebildegrube seiner anschloss.
Bald fühlte er sich gewogen, in Schlaf gewiegt.
»Wer ist Chyi Xeyme?«, flüsterte sie.
»Wer?«
»Du hast von ihr im Schlaf gesprochen. Wer ist sie?«
»Niemand«, sagte er.
Für einen flüchtigen Augenblick überlegte er, ob er sie nach Drom
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