PR2602-Die Todringer von Orontes
Achseln. »Es ist alles so diffus und nicht zu interpretieren. Eine Art Gedankensalat, den ich kaum entwirren kann.«
Sie hielten an. Mehrere größere Felsblöcke boten Sichtschutz. Sinaid deutete ihren Begleitern, die Ortungsmöglichkeiten der SERUNS auszunutzen, jeder für sich.
»Wie sind die Grundempfindungen? Lässt sich zumindest sagen, ob du Aggressivität oder Wut spürst?«
»Nein. Die Gedankenstrukturen sind ... fremdartig.« Gucky wirkte irritiert und verärgert zugleich. Sicherlich hatte er noch nicht allzu oft mit derartigen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt.
Sinaid baute Spannung auf. An den Haarwurzeln kribbelte es, ihr Herz schlug schneller, mindestens zwanzigmal pro Minute.
»Ich könnte auf Sicht springen«, schlug Gucky vor. »Mehrere kleine Teleportationen, um die Halle auszumessen und uns einen Überblick zu gewähren.«
»Abgelehnt.« Sinaid schickte mehrere Spionsonden aus. Sie kamen etwa hundert Meter weit und versagten dann. Was auch immer vom Gestein an Strahlung ausging – es bewirkte nicht nur die Beeinträchtigung hyperenergetischer Vorgänge. Die Positroniken der kleinen Wunderwerke versagten reihenweise, wie auch die SERUNS kaum ausreichend Leistung erbrachten.
»Sie kommen näher«, sagte Gucky gedankenverloren. Eine dicke Falte bildete sich zwischen den angestrengt zusammengekniffenen Augen. »Wenn ich bloß feststellen könnte, aus welcher Richtung ...«
Sinaid sah sich um. Verinnerlichte die üblichen Verhaltensregeln und wies Rynol einmal mehr an, sich im Hintergrund zu halten.
Scheinwerfer ausschalten. Waffe ziehen. Entsichern. Anzugfunktionen überprüfen. Den Energieverbrauch auf ein Minimum reduzieren. Vieles funktionierte nicht, der Schutzschirm ließ sich auf bestenfalls 20 Prozent Belastung hochfahren. Der Deflektor versagte. Kein Problem: Die chromatovariable Außenbeschichtung des SERUNS bewirkte einen Chamäleoneffekt, der sie fast unsichtbar werden ließ.
Fast.
Es entstanden Unschärfen an den Rändern des getarnten Objekts, die sich mit geübtem Blick erkennen ließen.
»Da ist Angst«, flüsterte Gucky. »Verbissenheit. Disziplin bis zur Selbstaufgabe. Eine genormte Gesellschaft. Nahezu einheitliche Gedankenwelten, eine sehr eingeschränkte Phantasie. Viele selbst auferlegte Hemmungen.«
Er analysierte die Gegner, so gut es ging. Doch dies waren Informationen, die ihnen reichlich wenig nutzten. Nicht in einem Augenblick, in dem es ans Eingemachte ging.
»Sie wissen, dass wir hier sind!«
»Sie können uns sehen?«
»Ich ... weiß es nicht.«
Ringsum herrschte nahezu undurchdringliche Dunkelheit. Mehrere lumineszierende Moosflecken wirkten wie winzige Inseln in diesem Meer aus Schwarz.
Gucky und Rynol befinden sich unmittelbar neben mir, sagte sich Sinaid, um ihre latent vorhandenen klaustrophobischen Neigungen zurückzudrängen. Ich bin nicht allein.
»Du hast erst freie Hand, wenn ich dir das Kommando dazu gebe«, flüsterte sie Gucky zu.
»Aber ...«
»Keine Widerrede!«
Was für ein Irrsinn! Sie gab dem womöglich erfahrensten Einsatzspezialisten der Menschheitsgeschichte Anweisungen! Doch der Mausbiber hatte es selbst so gewollt – und nun musste er sich ihren Befehlen fügen.
Sie spürte eine Bewegung rechts von sich. Die Außenrezeptoren des SERUNS funktionierten ausgezeichnet. Viel besser als all die verfluchten Schutzmechanismen! Sie vermittelten den Eindruck eines Luftzugs; eines Gegners, der sich bis in ihre unmittelbare Nähe geschlichen hatte. Wie ...
Nicht denken! Reagieren!
Sie warf sich Richtung Rynol. Der Anti stöhnte auf, überrascht, von der Wucht ihres Körpers zu Boden gerissen.
Etwas fauchte über sie hinweg und prallte gegen den Fels.
Sie stemmte sich hoch und befreite Rynol, schob ihn vor sich her zu einer Lücke zwischen zwei Felsen, die ein wenig Deckung boten.
Brustscheinwerfer aktivieren!
Sie waren bereits entdeckt worden, wie und warum auch immer; das Versteckspiel hatte ein Ende.
Wo war Gucky? Sinaid drehte sich im Kreis, sah sich um.
Der Mausbiber hatte sich nicht an ihre Anweisungen gehalten und war teleportiert.
Sinaid unterdrückte einen Fluch. Die Kontrolle entglitt ihr. Sie stand einem unsichtbaren, unheimlichen Feind gegenüber, der sie im Fadenkreuz hatte.
Wieder dieses Gefühl, diese Ahnung von Gefahr. Sie warf sich ein weiteres Mal zur Seite, ein weiteres Mal schoss etwas mit großer Wucht an ihr vorbei und schlug ein Loch ins Gestein. Sie betrachtete den Schaden, den der Beschuss angerichtet
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