PR2606-Unter dem Stahlschirm
fremdartiger Technologien spezialisiert. Sie fischte ein größeres Tragflächenfragment vom Boden und richtete sich seufzend auf.
»Das ist memostrukturelles Material, sehr formvariabel – und vielseitig verwendbar. Wenn ich mir anschaue, was leider nur noch in Bruchstücken herumliegt, lässt das auf ein ziemlich großes Verwendungsspektrum schließen.«
Sie hatte die Vorderkante einer Tragfläche aufgehoben. Die aerodynamisch gewölbte Rundung war hohl, aber dennoch äußerst widerstandsfähig. Ein Bündel feiner Leiterfasern verlief in dem Hohlraum, der Desintegratortreffer hatte blanke Schnittstellen hinterlassen, und zumindest im Moment war es schwer zu eruieren, welche Funktionen über die Fasern gesteuert worden waren.
»Das Ganze macht den Eindruck eines technologisch aufwendigen Fluggeräts«, bemerkte Jenke. »Ich frage mich nach der Art der Abschirmung gegen die störenden Einflüsse, oder ob es auf einer völlig anderen Basis arbeitet, als wir uns das vorstellen.«
Pifa hielt das Element mit beiden Händen gepackt und bog die Enden langsam aufeinander zu. Sogar sie musste viel Kraft aufwenden. Deutlich traten die Sehnen an ihrem Hals und die Muskelpartien hervor. Mit einem trockenen Knacken brach die überdehnte Röhre.
»Das Material hat den Charakter einer lederartigen, eventuell durch Mineraleinlagerungen verstärkten Haut. Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir es mit einem Techno-Kunststoff zu tun haben oder mit rein biologischem Gewebe. Entweder ist das, was gleich geschieht, ein Reparatureffekt, oder wir sollten es unter die Rubrik Selbstheilung einstufen.«
Sie löste eine Hand von der gebrochenen Flügelkante. Das weit überdehnte Material bewegte sich langsam, als folge es einem Memoryeffekt, in seine Ausgangsposition zurück. Wie von Geisterhand fügten sich die Bruchstellen zusammen und verschmolzen miteinander.
»Für was hältst du es?«, fragte die Kommandantin.
»Ich sagte schon ...«
»Biologisch?«
»Fast alles scheint aus dieser Haut zu bestehen«, antwortete die Exo-Ingenieurin ausweichend. »Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass ein mehrere Meter großes Lebewesen ...«
»Gibt es sterbliche Überreste?«
»Sieh dich um«, forderte die Halb-Ertruserin. »Der Desintegratorschuss hat nicht allzu viel übrig gelassen.«
Rufe erklangen. Einige hundert Meter südlich der Landestelle lag ein dritter abgeschossener Nurflügler. Apatou Bousset, Pettazzoni und der Shathologe Finukuls waren dort.
»Sie haben offenbar mehr gefunden«, sagte Pifa.
Die Kommandantin nickte und lief los. Prüfend huschte ihr Blick über den fahlen Himmel, sie entdeckte aber nichts, was ihr Sorge bereitet hätte. Lediglich ein paar feine Wolkenschleier zogen sich in größerer Höhe zusammen.
Flüchtig schaute sie zu Pifa zurück. Die Exo-Ingenieurin trug bereits ein Bündel aus Wrackteilen zum Schiff.
Falls erneut ein Schwarm der Fluggeräte über den nahen Horizont aufstieg, würde im schlimmsten Fall keine halbe Minute vergehen, bis sie über dem SKARABÄUS waren. Dass Patoshin, Antublas und Lanczkowski nach allen Seiten sicherten und Zosimo das Schiff startbereit hielt, war eigentlich nur eine Alibi-Beruhigung.
Jenke hörte Kulslins Sprechsegel knarren. So unruhig, wie der Favadarei seinen Oberkörper knickte, hatte sie ihn noch nicht gesehen, und seine Sinneskrone wechselte geradezu hektisch die Farbe. Aber der Shathologe redete allem Anschein nach nicht auf seine Begleiter ein, er ...
Etwas richtete sich vor dem Dürren vom Boden auf. Eine Art Tentakel, so bleich wie die unwirklich anmutende Ebene ringsum.
Kulslin Finukuls wich einen Schritt zurück. Der Tentakel drehte und wand sich höher und kippte Bousset entgegen, der geschmeidig auswich.
Einer der Schlangensterne!
Jenke erreichte die Gruppe.
Kulslin schwieg jetzt. Und Pettazzoni schob soeben mehrere übereinandergeworfene Tragflächenbruchstücke auseinander. Ein zuckendes, fast türkisgrün gefärbtes meterlanges Armfragment kam darunter zum Vorschein. Die mehr als fingerlangen Stacheln, die den Arm bedeckten, schabten über die Tragfläche; das dünne Ende hing in einer schlaufenförmigen Halterung fest.
»Er lebt, aber er reagiert nicht.« Bousset wich dem ruckartig kriechenden Wesen aus. Es hatte nur noch drei vollständige Arme, von zweien waren lediglich kurze Stümpfe vorhanden.
Für ein paar Sekunden hielt das Wesen inne. Jenke hatte dabei den Eindruck, dass es die dicke zentrale Körperscheibe hochstemmen wollte. Als
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