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PR2607-Der Fimbul-Impuls

PR2607-Der Fimbul-Impuls

Titel: PR2607-Der Fimbul-Impuls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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gelegt.
    Unter der gläsernen Schicht stieg aus einer unabschätzbaren Tiefe ein violettes Wogen und Wabern, wie Gewölk. Er stieß an die Unterseite der Glasdielen, zerrann, floss nach unten ab, sammelte sich bald darauf wieder in der Tiefe und stieg erneut auf.
    Routh spürte, wie er von den nachdrängenden Menschen weiter Richtung Raummitte geschoben wurde.
    Unversehens stand ein Humanoide auf dem kleinen Podest mit den Stelen. Der Fremde war klein, nicht viel größer als 1,50 Meter. Er trug einen langen, elegant wirkenden schwarzen Rock und über dem entblößten Oberkörper nur einen schmalen Riemen aus demselben Stoff. Seine Haut irisierte wie Perlmutt. Blau- und Rottöne wechselten einander ab.
    Ein ... Sayporaner ...
    Routh hätte nicht zu sagen gewusst, ob er diesen kannte. Obwohl dessen Gesicht so menschenähnlich wirkte, fehlte ihm jede Eigenart. Routh erkannte nicht einmal, ob er es mit einem Mann oder einer Frau zu tun hatte.
    Der Fremde lächelte, fuhr mit der einen Hand den Riemen entlang, fasste hinter seine Schulter und holte ein Instrument hervor: ein Mittelding aus Dudelsack und Saxophon.
    Er nahm das Mundstück des Instruments zwischen seine Lippen, sog es einige Zentimeter weit ein und blies allmählich den Luftsack auf.
    Dunkle Töne erklangen, die wie das Echo in engen Gebirgstälern nur sehr allmählich verhallten. Wieder fühlte Routh sich bei aller Fremdartigkeit von der Melodie tief berührt. Sie klang zugleich schwermütig und verheißungsvoll. Er hätte mitsingen mögen. Aber es gab keinen Text.
    Der Raum wurde voller und voller.
    Plötzlich spürte Routh, dass sich jemand schräg hinter ihn gestellt hatte. Er wandte sich um, blickte in ein Gesicht, über das schwache, regenbogenfarbene Reflexe huschten. Ansonsten war das Gesicht ausdruckslos. Die Augen schauten ihn mit vertikalen Pupillen an. Die Iris ähnelte einer Münze aus mattem Gold. Das Gesicht wirkte auf unbestimmte Weise mineralisch.
    Der Sayporaner und Routh, der Terraner, ähnelten einander, aber sie ähnelten sich, wie ein Delfin und ein Ichtyosaurier sich ähneln, Vögel und Fledermäuse: Wesen völlig andersartiger Herkunft, die eine analoge Gestalt angenommen hatten.
    In diesem Moment begann ein anderer Fremder zu sprechen, der neben den Instrumentalisten auf das Podest getreten war. Routh hörte nur mit halbem Ohr hin. Es war die übliche Rede von einem neuen oder letzten Schritt, von einer Patronatswelt, wo sie, die jungen Menschen, zu einer neuen Elite umformatiert werden sollten.
    Routh und der andere starrten einander unverwandt an. Mit einer leisen Stimme, als hätte er keine Lunge, nur den Atem, der ihm den Mund füllte, sagte der Augur schließlich: »Hat dich der Ruf der Phenuben ins Gnauplon geführt oder deine Neugier?«
    »Ich habe die Phenuben gehört«, sagte er ausweichend.
    »Manche«, sagte der Fremde und musterte Routh, »haben sich einen jungen Geist bewahrt. Hast du dir einen jungen Geist bewahrt, Mensch?«
    Routh antwortete nicht.
    »Wesen in deinem Alter wird der Schritt über das Transitparkett vielleicht nicht glücken.«
    »Wer ist schon glücklich?«, witzelte Routh.
    Die goldenen Augen fixierten ihn. »Im Namen deines Heils und Vorteils: Darf ich dich bitten, das Gnauplon sofort zu verlassen?«
    Und wenn nicht?, wollte Routh fragen. Aber etwas warnte ihn. In die Augen war ein kaltes Funkeln getreten. Routh mochte sich täuschen. Die Fremdartigkeit des anderen machte es sogar sehr wahrscheinlich, dass Routh sich täuschte.
    Doch er las aus diesen Augen einen derartigen Hass und Vernichtungswillen, dass er nicht anders konnte als einmal kurz zu nicken. Dann ging er an dem Auguren vorbei und trat ins Freie.
     
    *
     
    Routh bewegte sich gegen den langsamen Strom der Jugendlichen. In dem einen oder anderen Gesicht, dem er aufgefallen war, meinte er etwas wie Schadenfreude zu lesen. Die meisten aber machten einen in sich gekehrten Eindruck; manche blass vor Aufregung, andere mit fieberfleckigen Wangen.
    Nach einer Weile blieb er stehen. Mit geschlossenen Lippen artikulierte er: »Wir opfern die Mikrosonde.«
    Ohne Zweifel war er der Einzige, der den Start der Mikrosonde bemerkte. Die winzige Sonde, die mit ihren Gazeflügelchen durch die Luft schwamm, ließ sich in Kniehöhe absinken und schwirrte ein wenig herum.
    Bald war sie außer Sicht. Sie würde sich – ihrem Auftrag folgend – einem der Jugendlichen an die Hose oder an die Jacke heften und dort Schutz suchen: in einer Falte, einem Kragen,

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