PR2610-Die Entscheidung des Androiden
sprechen, Pridon.«
»Soll er. Wir werden schweigen.«
»Wie lange?«
»Bis die Zeit gekommen ist, das zu ändern.« Damit beendete er das Funkgespräch.
Er musste nachdenken. Beim Einflug in die Anomalie hatte sich Saedelaere als verlässlicher Partner erwiesen. Aber es stand fest, dass er für alle Palastbewohner eine tödliche Bedrohung darstellte. Die Frage war nur – mit Absicht oder aufgrund eines Nebeneffektes, den Saedelaere selbst nicht hatte voraussehen können, wie er ständig behauptete?
Stand er mit den mutmaßlichen Piraten im Bunde, die den Palast überhaupt erst in die Anomalie entführt hatten?
Wer steckte hinter dieser ganzen Aktion?
Außerdem durfte man nicht außer Acht lassen, dass der seltsame Fremde die einzige Möglichkeit bot, die Sphäre wieder zu verlassen.
Pridon saß am Rand eines bequemen Betts und legte sich zurück auf das Kissen. Die Beine zog er an, stellte die Füße flach auf. Sein Atem ging ruhig und tief.
Immer wieder rief er sich einen Moment in Erinnerung: die letzte und entscheidende Begegnung mit Alaska Saedelaere in der Suite, die ihm die Herzogin zugewiesen hatte. Der Moment, in dem er, Pridon, gestorben war.
In diesem Moment lag der Schlüssel verborgen, dies alles zu verstehen.
Er musste ihn sich exakt in Erinnerung rufen.
Es wurde Zeit für ein Menamentior.
*
Menamentior – das Ritual der Erinnerung. Pridon hätte es längst anwenden müssen, es aber mangels Zeit stets aufs Neue verschoben. Zudem fühlte er sich nach dem Herzstillstand noch immer körperlich zu schwach.
Leider war es ihm nicht vergönnt, sich wie erhofft einige Stunden oder Tage erholen zu dürfen.
Er drehte sich auf die Seite. Neben der Mulde für seinen Kopf stand ein flacher Kasten auf dem Bettenlager, gerade so groß wie seine Hand. Pridon hatte sich alles bereitgelegt, um später darauf zugreifen zu können.
Nun würde es das Später nicht geben, und es blieb auch nicht mehr die nötige Zeit. Er ärgerte sich, dass er nicht längst damit begonnen hatte.
Normalerweise erforderte das Menamentior eine lange Vorbereitung samt tiefer Meditation. Nur so gelang es, auf das zweite Gehirn zuzugreifen, das sämtliche Eindrücke mit der Genauigkeit und Präzision einer Datenkamera abspeicherte.
Der Gardeleutnant öffnete den Kasten und entnahm ihm den Speicherkristall. Dreizehn Mulden gab es darin, ein speziell für ihn angefertigtes Modell. Für jede Fingerspitze eine Vertiefung.
Um auf das zweite, durch eine Knochenplatte völlig separierte Gehirn zugreifen zu können, bereitete sich ein Escalianer normalerweise viele Stunden lang vor. Ein kräftezehrendes Ritual, das volle Konzentration erforderte und zugleich Dauerschäden verhinderte, die durch allzu brachiales Vordringen in die Welt der Erinnerung entstehen konnten.
Pridons Wissen zufolge hatte nie jemand versucht, das Ritual derart abzukürzen. Aber es hatte auch noch nie einen Gardeleutnant Pridon gegeben.
Er legte die Fingerspitzen in die Mulden des Speicherkristalls und konzentrierte sich auf jene entscheidenden Momente.
Entscheidend für Saedelaere und das Schicksal des Palastes der Harmonie. Und entscheidend für ihn selbst und sein Leben, das in ihnen ein Ende fand, um kurz darauf durch die Medoroboter neu zu entstehen.
Die neuronalen Synapsen seiner Fingerspitzen verbanden sich mit dem Kristall, der die exakt abgespeicherten Sinneseindrücke aufnehmen und in Holobilder verwandeln konnte.
Pridon schloss die Augen. »Alaska Saedelaere«, sagte er. »Was hast du zu verbergen? Wer bist du wirklich?«
Er zwang sein Bewusstsein, die Impulse abzusenden und auf jene Momente zuzugreifen. Er fühlte das typische Kribbeln in den Fingerspitzen, mit ihm floss Kraft aus seinem Körper, zu viel Kraft, weil die nötige Vorbereitung und Ruhe fehlten.
Das Überwachungsgerät gab Alarm. Er ärgerte sich, dass er es vergessen hatte. Rasch löste er die linke Hand vom Kristall, riss sich das Gerät vom Leib, schleuderte es quer durchs Zimmer und stellte wieder vollständigen Kontakt mit allen dreizehn Fingern her.
Die neuronalen Verbindungen zogen seine Haut dichter an den Kristall, verbanden sich mit dessen atomarer Struktur.
Und das, was geschehen war, floss aus ihm heraus und entstand als Holobild vor ihm. Gardeleutnant Pridon öffnete die Augen, wurde von Sekunde zu Sekunde schwächer, dass er glaubte, in Ohnmacht versinken zu müssen ...
... und er sah:
»ausgerechnet in dem moment, als sich unser verdacht ohnehin
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