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PR2616-Countdown für Sol

PR2616-Countdown für Sol

Titel: PR2616-Countdown für Sol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arndt Ellmer
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Kräften.«
    Inzwischen stützten Prallfelder ihren Hals und massierten die verkümmerte Muskulatur. Es strengte sehr an, und danach schlief Lia meistens zwei, drei Stunden. Die Positronik stufte ihre Fortschritte als die eines dreijährigen Kindes ein.
    Stradprais kam noch immer täglich und behandelte sie.
    »Wirst du das ein ganzes Leben lang tun?«, wollte Korbinian eines Tages wissen.
    »Bis sie völlig gesund ist. Und selbst dann kann ich nicht vorhersagen, ob sie auf dieser Stufe bleibt oder ob sich ihr Zustand wieder verschlechtert.«
    »Also ist es nur ein vorübergehender Effekt?«
    »Ich weiß es nicht. Es sollte dich nicht stören. Immerhin heile ich sie umsonst.«
    Korbinians Laune verschlechterte sich. Er wurde wieder verschlossener, aber dann begann Lia eines Tages zu singen. Und sie bewegte ihre Finger und bald darauf ihre Arme. Als Ostern kam, begann sie zu malen.
    Stradprais meinte: »Die Durchblutung ihrer Beine ist inzwischen normal. Sie wird bald aufstehen können.«
    »So schnell?«
    »Ich kann es nicht exakt voraussagen. Ich bin Heiler, kein Hellseher.«
    Korbinian schimpfte mit sich selbst, weil er den Fremden lange Zeit als halben Scharlatan angesehen hatte. Jetzt half Stradprais Lia, ihre Stimme zu schulen und ihre Hände und Arme neu zu gebrauchen.
    Lia bat Korbinian um Stifte und Papier. Sie begann zu malen. Zunächst waren es verzerrte geometrische Figuren. Später wurden klare Gegenstände daraus. Erst hielt er es für Spielerei, aber dann stutzte er. Lia zeichnete einen Tisch, Möbel, eine Wand, Fenster, eine Tür, einen Servo ...
    »Das ist unser Wohnzimmer in Eratopolis«, rief er. »Du erinnerst dich an das Haus am Fernen Rand. «
    Lia sah ihn verstört an. »Was meinst du? Bitte erklären!«
    Er schilderte das Haus, in dem sie als Kinder gelebt hatten. Er beschrieb ihr die Zimmer. Nur ihr eigenes Zimmer sparte er aus, denn es war genauso ausgestattet gewesen wie später das Zimmer in New Tahiti und jetzt in Terrania.
    »Nicht immer hier?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Nein. Hier sind wir erst seit fünfeinhalb Jahren.«
    »Oh. Kann ich Bilder sehen?«
    »Ich hole sie dir.«
    Er eilte nach den Holowürfeln, aber als er zurückkehrte, war sie eingeschlafen.
    Leise ging er hinaus. Die Stille Ve kam aus der Küche, der ruhende Pol im Haushalt.
    »Es ist wie ein Wunder«, sagte er. »Ich kann es kaum fassen.«
    »Du liebst deine Schwester sehr.«
    »Sie ist mein Ein und Alles.«
    »Ohne Eltern ist es doppelt schwierig.«
    »Ja.« Er musterte sie aufmerksam. »Ich gehe auf die Dachterrasse. Kommst du mit?«
    Sie schloss sich ihm wortlos an. Seit Stradprais jeden Tag kam, hatte Korbinian mit Lia nicht mehr so viel Zeit auf dem Dach verbracht wie vorher. Er wollte nicht, dass die Eindrücke sie ablenkten und dadurch den Heilerfolg beeinträchtigten.
    Oben auf dem Dach trat die Stille Ve neben ihn. »Dieser Planet ist zu schön, um durch eine technische Hochkultur zerstört zu werden.«
    »Ja«, sagte Korbinian. »Deshalb geben wir ihm seit vielen Jahrhunderten seine Ursprünglichkeit zurück und leben im Einklang mit der Natur.«
    »Ja«, antwortete sie, aber es hörte sich völlig anders an als sein eigenes Ja.
     
    *
     
    In den Frühjahrsmonaten ging Korbinian ein paar Mal spazieren. Nicht draußen in der Natur, sondern in seiner Klause, in seinem Eigenraum, diesem merkwürdigen Gebilde, das er wie eine Tarnkappe über sich selbst und über Gegenstände stülpen konnte.
    Anfangs hatte er sich über die Größe keine Gedanken gemacht. Später war es eine Blase von der Größe eines Zimmers gewesen. Nunmehr nahm er das Gebilde schon als riesigen Schlauch von ein paar Dutzend Metern Höhe und gut ein, zwei Kilometern Länge wahr. Wenn er wollte, konnte er Gegenstände mit hineinnehmen.
    Als er wieder aus seiner Klause in das Zimmer zurückkehrte, wartete die Stille Ve unter der Tür. Sie hatte Kaffee gekocht. Sie setzten sich an den Tisch und tranken die belebende braune Flüssigkeit.
    Korbinian fühlte sich mit der Halb-Ferronin ausgesprochen wohl. Sie warfen einander Blicke zu, aber keiner sagte ein Wort. Ve bewegte Schnüre zwischen den Fingern, die sie mit viel Geschick ineinander verschränkte und kunstvolle Zöpfe entstehen ließ. Er sah ihr eine Weile zu, dann wollte er auch mal.
    Was Fingerfertigkeit anging, hatte Korbinian allerdings zwei linke Hände. Immer wieder entwischte ihm eine Schnur und fiel zu Boden.
    »Deshalb ist jedes Lebewesen einzigartig«, sagte er. »Die

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