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PR2618-Flucht von der Brückenwelt

PR2618-Flucht von der Brückenwelt

Titel: PR2618-Flucht von der Brückenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Themsen
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Stumm wechselten die auf dem Dach kauernden Terraner angespannte Blicke. Lanczkowski studierte immer wieder die Zeitanzeige seines Multifunktionsarmbandes. Schließlich gab er das Zeichen.
    Gemeinsam traten sie auf das offene Dach, während von immer mehr Seiten Gleiter heranjagten. Sämtliche Gravo-Paks, über die sie noch verfügten, wurden gleichzeitig aktiviert. Langsam, als erhöbe sie sich aus zähem Schleim, trieb die zum Pulk verbundene Gruppe aufwärts, in den dunklen Nachthimmel hinein.
    Ein Gleiterscheinwerfer erfasste sie und blieb auf der Gruppe fixiert, als wolle man sie damit festhalten. Ehe jedoch irgendeine weitere Reaktion aus dem Fluggerät kommen konnte, schoss aus der Dunkelheit ein Schatten über die Terraner weg, und die Sogkraft eines Traktorstrahls riss sie mit sich und ins Innere des Gebildes hinein, wo Wärme und Licht sie empfingen.
    »Willkommen an Bord der VAHANA«, begrüßte über Interkom die Stimme von Jonas Zosimo die vom plötzlichen Umherwirbeln noch benommenen Expeditionsmitglieder. »Bitte sucht euch etwas zum Festhalten und lasst eure Zungen zwischen den Zähnen heraus – es wird gleich ungemütlich.«
    Mit höchster Beschleunigung jagte die VAHANA über die Dächer Alldar-Shaths hinweg in Richtung der tieferen Dunkelheit des Umlandes.

11.
     
    »Ich fühle mich wiederhergestellt und in der Lage, meine Aufgaben zu erfüllen.«
    Jenke spürte die zweifelnden Blicke der anderen auf sich. Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Noch immer gab es Momente, in denen sie aus den Augenwinkeln Dinge sah, die nicht da sein konnten. Dinge aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt, die direkten Zugriff auf ihre Gefühle nehmen wollten, um sie in deren Intensität zu ertränken. Immer wieder hatten diese Wahnbilder sie in den ersten Stunden nach ihrer Befreiung in unkontrollierte Gefühlsausbrüche getrieben, pendelnd zwischen lähmender Panik und unkontrollierbarem Gelächter.
    In der Zwischenzeit hatte sie jedoch eine Kontrolle aufgebaut, die es ihr erlaubte zu ignorieren, was diese Geisterbilder taten. Sie hatte eine Grenze gezogen, eine Mauer. Nichts außer der Realität zählte. Und solange sie sich auf diese Realität konzentrierte, blieb sie sicher darin verhaftet, und die falschen Bilder verblassten.
    Sie funktionierte.
    Bousset schüttelte den Kopf und sah zu Lanczkowski.
    »Wir sind in einer schwierigen Situation«, sagte er. »Normalerweise würde ich diese Aussage akzeptieren. Im Moment kann aber in entscheidenden Situationen jeder Augenblick zählen. Können wir es uns erlauben, ein solches Risiko einzugehen?«
    Lanczkowski wiegte den Kopf. »Die Frage ist, inwieweit du selbst im Moment in der Lage bist, deine Einsatzfähigkeit zu beurteilen, Jenke«, sagte er. »Jetzt bist du klar, und eine Änderung dieses Zustandes erscheint dir undenkbar, weil er schon vergleichsweise lang anhält. Aber nach dem, was dir zugestoßen ist, kann das von einem Augenblick zum anderen umschlagen. Ein Psychologe könnte das vielleicht beurteilen, aber wir haben keinen hier. Daher muss ich nach den möglichen Risiken und deren Auswirkungen urteilen, nicht nach dem, was wir hoffen oder annehmen.«
    Die Erwähnung eines Psychologen ließ Jenke an Aiden Cranstoun denken und in direkter Assoziation an dessen Zwillingsbruder, den Mann, dessen Tod ihr erst gezeigt hatte, wie nah sie daran gewesen war, eine Bindung aufzubauen. Sie wusste, dass diese Tatsache bislang bei jeder Erwähnung zu einem leichten Ziehen in ihrer Magengegend geführt hatte. In diesem Moment aber ließ es sie völlig unberührt.
    Sie neigte den Kopf. »Ihr habt recht. Ich könnte mich irren, und das Risiko ist zu hoch.«
    »Also gebe ich hiermit für das Logbuch zu Protokoll, dass Jenke Schousboe bis zur eindeutigen Klärung ihres Gesundheitszustands an Bord der BOMBAY ihres Kommandos über die VAHANA enthoben ist«, stellte Lanczkowski fest. »In der Folge geht das Kommando an Apatou Bousset über, den sie als ihren Stellvertreter eingesetzt hat.«
    Jenke spürte die Fingerspitzen der natürlichen Hand des Ganymedaners an ihrer Schulter und sah auf.
    »Geh in deine Kabine und erhol dich«, sagte er. »Du hast viel durchgemacht ...«
    Die Andeutung eines Lachens drang aus Jenkes Mund. Irritiert stellte sie fest, dass es zynisch klang.
    »Und du glaubst, es geht mir besser, wenn ich mit mir allein in einem geschlossenen, kahlen Raum sitze? Nein, Kommandant. Ich will hierbleiben und beitragen, was immer ich beitragen kann. Wenn du

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