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PR2632-Die Nacht des Regenriesen

PR2632-Die Nacht des Regenriesen

Titel: PR2632-Die Nacht des Regenriesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Gespensterbotschaften.
    Anders als ihre Eltern konnte Geronimo diese Mischungen aus Pantomime, Ballett und Clownerie durchaus verstehen, diese auf zweidimensionale Schattenrisse reduzierten Gespenster. Er selbst benutzte solche Filmchen nicht. An wen hätte er sie auch richten sollen?
    Es wunderte ihn, dass ihre Eltern die Gespensterbotschaften nicht verstanden. Eine Weile hatte er geglaubt, sie gäben dieses Unverständnis nur vor. Vielleicht war es ihnen peinlich, ihre Kinder in diesen Szenen zu sehen, die nicht selten obszön wirkten, abstoßend und makaber. Selbst dann, wenn die Inhalte harmlos waren, sogar liebevoll.
    Irgendwann hatten sie Geronimo gebeten, ihnen die Botschaften Occams zu übersetzen.
    »Er sagt, er geht fort«, hatte Geronimo die Nachricht seines Bruders gedeutet. »Mit den Auguren.«
    Sein Vater hatte gelacht. »Wohin? In eine Kommune? In ein Zeltlager? Hat Occam nicht gesagt, die Auguren wohnen in Zelten?« An seine Frau gewandt: »Das hat er doch gesagt, oder?«
    Nishaly hatte genickt. »In einer Art Zelt, Basil.«
    »Ich weiß es nicht«, hatte Geronimo gesagt. »Es klingt irgendwie nach weiter weg. Nach endgültiger. «
    »Diese Rattenfänger«, hatte sein Vater geschimpft. »Wohin auch immer: Er wird Geld brauchen. Geld braucht man überall.«
    Als wäre Geld ein kosmischer Blutkreislauf, an dem alle vernunftbegabten Geschöpfe hingen.
    »Er wird Geld brauchen«, wiederholte Basil. Geronimo war sich nicht sicher gewesen, ob sein Vater das als Drohung Occam gegenüber gemeint hatte oder zu seiner Beruhigung. »Er wird sich melden.«
    Occam hatte sich nicht mehr gemeldet. Er war wie Zehntausende seiner Altersgenossen über das Transitparkett gegangen und verschwunden.
    Das war unendlich viel gruseliger als jede jemals erdachte Gespensterbotschaft.
    Die Pointe daran: Seine Eltern hatten von diesem Schritt über das Transitparkett nichts mitbekommen. Sie waren, zwei Tage bevor das Solsystem versetzt worden war, dringender Geschäfte wegen ins Wega-System gereist. Warum auch nicht? Occam würde ja Geld brauchen.
    Warum ins Wega-System, diesen langweiligsten aller Orte?
    »Bicort hat einige präferronische Artefakte für uns«, hatte Basil erklärt. »Oder postlemurisch, wenn man so will.« Er hatte Geronimo zugenickt. »Das können wir uns nicht entgehen lassen.«
    Wir – das war Abbs Alt- und Ehrwürdiges, der führende Krimskramsladen des ganzen Terra-Distrikts Mexiko.
    »Halt die Stellung!«, hatte sein Vater mit einem forschen Klaps auf Geronimos Rücken befohlen.
    »Sag Occam Bescheid, wenn er nach uns fragt«, hatte Nishaly gebeten und Anstalten gemacht, Geronimo zu küssen. Sie hatte den Versuch so übertrieben und parodistisch angelegt, mit gespitzten Lippen, dass es Geronimo leichtgefallen wäre, ihn abzuwehren. Ohne Gesichtsverlust für ihn, ohne Gesichtsverlust für seine Mutter.
    Aber aus einer Eingebung heraus hatte er sie diesmal gewähren lassen. Sie hatte ihn auf die Wange geküsst und eine Weile verwundert im Arm gehalten.
    Das war nun einen Monat her. Seit über vier Wochen lebte Geronimo ohne Eltern, ohne den älteren Bruder. Er hatte in den letzten ein oder zwei Jahren immer wieder von einem solchen Zustand geträumt: ohne Eltern, auf sich allein gestellt. Allerdings hatte meist ein Mädchen eine bestimmte Rolle in diesen Träumen gespielt, meist Phaycora, seltener Isyel, und die Mädchen waren in diesen Träumen ebenso allein und verlassen wie er, aber allmählich verstanden sie in diesen Träumen, dass sie auf jemanden wie ihn angewiesen waren.
    Er hatte keine Ahnung, wo Phaycora und Isyel in diesen Tagen waren, ob sie über das Transitparkett gegangen oder in der Zona geblieben waren.
    Ob sie überhaupt noch lebten oder unter den Opfern waren, die die Versetzungskatastrophe gefordert hatte.
    Seit DayScha ihn aus dem zerbrechenden Haus gezogen hatte, waren sie ihm nicht mehr so gegenwärtig.
    DayScha – sein Au-pair-Mädchen, das bislang alles, was in seiner Macht stand, getan hatte, um zu verhindern, dass sein elternloses Dasein die erträumte Strahlkraft entfaltete.
    Seine Eltern hatten die junge Cheborparnerin engagiert, als es in der Zona – oder auf ganz Terra? – Mode wurde, jugendliche Akonen als Au-pair zu verpflichten. Akoninnen waren chic; sie umwehte der Hauch der Heimatlosigkeit. Wer den Sternenverwaisten Hilfe und Beistand gab, durfte sich selbst als guten Menschen bauchpinseln.
    Geronimos Eltern waren, das musste er zugeben, jeder Mode um eine Mode

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