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PR2632-Die Nacht des Regenriesen

PR2632-Die Nacht des Regenriesen

Titel: PR2632-Die Nacht des Regenriesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Gespensterbotschaft, spukhafter als alles, was Geronimo bislang von Occam gesehen hatte. Geronimo musste die Botschaft mehrere Male abspielen, bis er sie entziffert hatte.
    Geronimo las aus Occams zu einem Scherenschnitt entstellten Gesicht Euphorie, Aufbruchstimmung, Reiselust, aber zugleich auch eine gewisse Sorge und Bangigkeit.
    Am Ende spreizte Occam Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand weit ab – Nummer drei. Das war in den letzten gemeinsamen Tagen Occams spöttisches Zeichen für Geronimo gewesen. Occam selbst war Nummer zwei; Nummer eins war natürlich DayScha.
    Frei in die Sprache der Wirklichkeit übersetzt, lautete die Botschaft: Keine Angst, kleiner Bruder. Wir gehen, um zurückzukommen. Wir kommen zurück für immer.
    »Was sagt er?«, fragte DayScha.
    Geronimo zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
    Plötzlich erfüllte ein hohes, unwirkliches Knirschen den Raum. Es war ein Geräusch, als würde sich das metallplastische Skelett des Hauses verdrehen und bis an die Belastungsgrenze verrenken.
    »Klingt übel«, sagte DayScha.
    Immerhin ließ sich der Lastenschweber problemlos mit dem Prallfeldzweisitzer koppeln.
    Als sie hoch in der Luft waren, spürte Geronimo, wie die Anspannung von ihm abfiel. Einige Tränen traten ihm in die Augen – vor Wut, wie er sich beteuerte.

Beisohn: Niedergang
     
    Allmählich fanden seine Gedanken, die sich in einem unbekannten Raum verloren hatten, zurück an die Gestade. Er sah sich auf eine der Landungsbrücken hinausgehen. Er ging bis dorthin, wo zwei Exo-Barkassen lagen. Die ozeanostellaren Fahrzeuge hoben und senkten sich mit der schwachen Dünung. Der Gchefarische Passat hatte sich gelegt; die Schneehaut aber, die er übers Land getragen hatte, würde die Nacht überdauern.
    Er betrachtete die Fahrzeuge. Beide waren in einem beklagenswerten Zustand. Das Steuerhirn des einen – sein Kyberkapitän – lag blank und ungeschützt, Schneeriesel hatte sich zwischen den neuromechanischen Furchen angehäuft. Er beobachtete voller Ekel, wie sich Dutzende von Fch'Ceydicher-Tieren an der neuronalen Substanz weideten. Die winzigen Lebewesen hingen teils im Wasser und planschten träge mit einem der fünf Arme; mit den verhornten Greiflappen der anderen Arme schälten sie die Substanz aus den metallischen Hülsen.
    Ihm kam der Verdacht, die Fch'Ceydicher-Tiere könnten intelligenter sein, als sie sich gaben. Eine verschlagene Intelligenz, die sich vor ihm und seinesgleichen verbarg. Wer, welche Generation hatte sie eingeschleppt auf Utro'ch? Eingeschleppt wie eine Krankheit?
    Hieß es nicht, dass die Fch'Ceydicher-Tiere ihren Opfern ein bewusstseinsveränderndes Gift injizierten, während sie sie auffraßen? Wovon mochte der sterbende Kyberkapitän in seinem versüßten Todeskampf träumen? Von welchem Ausflug, welchem Sternenhafen?
    Es kostete ihn Mühe, sich von dem widerwärtigen Anblick zu lösen.
    Die andere Exo-Barkasse schien auf den ersten Blick unbeschädigt. Dennoch war er auf der Hut. Er sprach sie an und plauderte eine Weile mit ihrem halbwegs intakten Kyberkapitän. Dabei gewann er zunehmend den Eindruck, dass der Kapitän der Exo-Barkasse nicht mehr zwischen Wahn und Wirklichkeit zu unterscheiden vermochte. Der Kapitän schwadronierte vom Eisernen Äon, der Endphase eines kosmischen Zyklus, und er glaubte anscheinend, mit einem dort beheimateten Eisernen Propheten in Verbindung zu stehen.
    Der Kyberkapitän leidet unter theoplastischem Wahn, diagnostizierte er. Alles verfällt.
    Das Angebot des verrückten Kyberkapitäns, ihn an Bord zu nehmen und hinauf zu einem der Sternenhäfen zu bringen, zum Port Schyrd oder zum Port Dchoppoz, lehnte er mit einer höflichen Ausflucht ab. Er wisse nicht, ob von dort überhaupt noch Sternenschiffe ausliefen, entschuldigte er sich bei dem Kyberkapitän.
    Er wusste es übrigens tatsächlich nicht.
    Kaum hatte er sich von den beiden Exo-Barkassen abgewendet, sang der verrückte Kapitän eine Litanei der Eisernen Propheten. Ob theoplastischer Wahn ansteckend ist?
    Er fragte sich, welcher der beiden Kyberkapitäne ihn mehr dauerte: der wahnsinnige oder der vergiftete?
    Immerhin hatte er es nicht unterlassen können, im Gespräch beiläufig den Namen seines Vaters zu erwähnen, Sternenseits Nachtaug. Der Kyberkapitän hatte kurz gestutzt, sonst aber nicht reagiert.
    Wie kaum etwas anderes, was er in der letzten Zeit erlebt hatte, hatte ihm diese Ignoranz vor Augen geführt, welches Ausmaß der Niedergang erreicht

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