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PR2632-Die Nacht des Regenriesen

PR2632-Die Nacht des Regenriesen

Titel: PR2632-Die Nacht des Regenriesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Türme, die wie die olympischen Ringe ineinandergriffen, standen noch. »Das Olympische Haus«, wie sein Vater dieses Bauwerk nannte. Die Schäden wurden erst auf den zweiten Blick sichtbar. Der Zentralbau war mindestens zehn Meter in die Erde gesackt, als die Gravoerratik seinem Fundament für den Bruchteil einer Sekunde jede Tragfähigkeit genommen hatte.
    An die Verwüstungen im Inneren mochte Geronimo noch nicht denken.
    Sie saßen ab. Mit einem erlöschenden Zischen sank der Zweisitzer auf den Boden. Er schwankte kurz, dann hatte er festen Halt gefunden.
    Geronimo trat auf die Willkommensschwelle vor der Pforte. Die Flügeltür bestand aus massivem Holz, über vier Meter hoch und mit witzig-grobschlächtigen Schnitzarbeiten versehen. Ein Erzeugnis aus der Frühzeit der ertrusischen Eigengeschichte, als die ersten genetisch optimierten Einheimischen die kulturelle Abkehr von Terra probten.
    Es gab eine Zeit in seiner Kindheit, da hatten die Obszönitäten im Schnitzwerk ihn schamrot werden lassen, und er hatte es vorgezogen, das Haus durch einen der Nebeneingänge zu betreten.
    Sie standen immer noch auf der Willkommensschwelle, aber es rührte sich nichts. »Hallo? Was soll das?«, rief Geronimo.
    Es dauerte fast eine halbe Minute, bis das Haus sich rührte.
    »Geronimo Abb«, begrüßte ihn die schleppende Stimme der Hauspositronik. Die meisten Familien – zumal die mit Kindern – hatten ihren Servos mehr oder weniger vergnügliche Namen gegeben – Tipa, Mrs Poppins, Hauself oder Vishna. Die Abbs verabscheuten solche Kindereien. Ihr Servo war namenlos geblieben. »Es ist eine Freude, dich zu sehen.«
    »Geronimo Abb und Dayszaraszay Schazcepoutrusz«, verbesserte DayScha.
    »Lass uns ins Haus!«, forderte Geronimo.
    »Leider kann ich deiner Bitte nicht entsprechen, weil ich deine und eure Sicherheit nicht garantieren kann«, sagte die Positronik.
    »Warum hast du dich nicht längst repariert?«, fragte Geronimo.
    »Meine diesbezüglichen Auto-Routinen sind beschädigt. Ich fürchte, ich kann mir nicht vertrauen.«
    »Hast du keine Hilfe bei deiner Produktionsstätte angefordert?«
    »Das habe ich selbstverständlich. Aber da ich derzeit nicht bewohnt bin, wurde meinem Fall keine Priorität zuerkannt.«
    »Dann lass uns deine Priorität befördern, indem du uns die Tür öffnest«, schlug Geronimo vor.
    »Ich benötige dazu die Erlaubnis deiner Erziehungsberechtigten«, verlangte die Positronik.
    »Beschaff sie dir!«, riet Geronimo. »Sie sind im Wega-System.«
    »Ich weiß«, sagte die Positronik. »Leider habe ich zurzeit keinen Kontakt zum Wega-System.«
    »So ein Pech.«
    »Ich arbeite daran«, sagte die Positronik.
    »Da bist du nicht der Einzige«, sagte Geronimo. »Und während du dich bemühst, darf ich verhungern?«
    »Ich liefere dir alles, was du brauchst«, bot sich die Positronik an.
    Geronimo begann, eine wahllose Liste von Lebensmitteln aufzuzählen, alles, was ihm in den Sinn kam. DayScha vertrug menschliche Nahrung ohne Weiteres; er fragte sie dennoch, ob das Haus ihr etwas Besonderes zubereiten sollte. Sie lehnte ab.
    Kurz darauf meldete sich die Hauspositronik. Ihre Organe, wie sie ihre robotischen Handlanger nannte, ließen sich nicht in Betrieb nehmen. »Ich bitte diese Unannehmlichkeit zu entschuldigen.«
    Geronimo grinste. Er hatte nichts anderes erwartet. Schließlich hatte er die vier Wracks gesehen, als er von DayScha aus seinem Zimmer und aus dem Haus gezogen worden war.
    »Große Überraschung«, spottete er. »Also doch die Verhunger-Option?«
    Die wuchtige Holztür schwang lautlos auf. Das hellere Licht des Empfangsraumes fiel in die Nacht wie ein weißer Teppich.
    »Seid vorsichtig«, sagte die Positronik.
    Sie traten ein.
     
    *
     
    Wenige Schritte später hielt Geronimo an. Ein Murmeln war im Raum, entlegen und unverständlich. »Wer redet da?«, rief Geronimo.
    »Ich bin es wohl«, sagte die Hauspositronik.
    »Du bist es wohl? Was heißt das?«
    »Irritationen«, sagte die Maschine. »Frakturen in meinem Bewusstsein.«
    »Bist du eine Gefahr für uns?«, fragte DayScha.
    »Meinem Dafürhalten nach nein.«
    Geronimo und DayScha sahen einander an. Das Murmeln setzte wieder ein.
    »Wir beeilen uns besser«, sagte Geronimo.
    Die Küche war weitgehend zerstört. Geronimo blieb in der Tür stehen und schaute hinein. Boden und Decke aufgerissen; der Konservierungsschrank zerknüllt wie ein Stück Papier; etwas hatte das schöne, duftende Kräutergewächshaus, das Geronimo immer

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