Prada Party und Prosecco - Roman
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»Wir sehen uns sicher bald wieder«, versprach ich Esperanza. »Und … ich weiß, ich hab nie …« Plötzlich fiel es mir schwer, es auszusprechen. »Ich weiß, ich habe es nie gesagt. Nie richtig«, gab ich zu. Meine Unterlippe zitterte ein bisschen. »Aber … danke.«
Esperanza presste mich an ihren großen Busen und umarmte mich lange.
»Na, siehst du«, murmelte sie, »mehr war ja gar nicht nötig.«
Wenn die Old Kent Road schon im Morgenlicht übel aussah, so war es am nasskalten, düsteren Nachmittag keineswegs besser.
Ich überlegte, ob die Jungen wohl rauskommen würden, um mir mit dem Gepäck zu helfen. Ich gab ihnen ein paar lange Minuten, während deren ich unten vor dem Haus wartete, aber keine Chance. Vielleicht würden sie keinen Finger krumm machen, bis ich nicht mit dem Scheck rausrückte. Oder vielleicht waren sie auch auf dem Land aufgewachsen. Na ja, zumindest Wolverine. Also packte ich beide Koffer, hievte sie über die Matratze und schleppte sie bis zum Ende des dunklen Flurs.
Anders als das TARDIS -Raumschiff war mein Zimmer in der Zwischenzeit nicht wie durch Zauberhand größer geworden. Und zum Willkommen standen darin auch weder frische Blumen noch eine Flasche Champagner.
Ich überlegte, dass dem WG -Leben ein Imagewechsel wirklich guttun würde. Boutique-Living oder so was in der Art würde gut passen. Wie in einem Hotelzimmer in Manhattan – ja, natürlich ist das nicht mehr als ein winziger Schrank mit Blick auf eine Mauer. Aber, hey, davon lenken wir einfach mit elf Kissen auf dem Bett ab! So was in der Art eben. In den kaputten und wackeligen Schrank würden höchstens drei Minikleidchen passen, und das war’s dann auch schon. Ich schob den vollen Koffer direkt unters Bett; er würde auch den kaputten Federn Halt geben.
Im Haus war es still. Ich ließ mich auf meine neue Schlafstatt sinken und fragte mich, was ich als Nächstes tun sollte. Der Staub kitzelte mich in der Nase, als ich auf dem Fußboden einen Zettel entdeckte, den offensichtlich jemand unter der Tür durchgeschoben hatte.
Bitte , stand hoffnungsvoll ganz oben,
putz die Toilette
und das Bad
und die Küche
und die Fenstern ,
ich schüttelte den Kopf über das unnötige n,
und den Fußboden.
Danke.
Wie oft ich das machen sollte, stand da allerdings nicht. Einmal die Woche? Täglich? Und war mit dem Fußboden auch der Boden in ihren Zimmern gemeint? Ich beschloss umgehend, dass dem nicht so war. Ich hatte nicht vor, mich in die Höhlen dieser Trolle zu wagen.
Esperanza hatte mir ein Care-Paket mit ihren Lieblingsputzmitteln mit auf den Weg gegeben. Wie eine von diesen Geschenktüten mit Pröbchen, dachte ich, nur viel, viel beschissener.
Ich schluckte – ich hatte nichts vor, und niemand auf der Welt wusste, wo ich war. Ich nahm an, dass mein Handy noch funktionierte, denn ich hatte es aufgegeben, auf das Display zu schauen. Es rief mich einfach niemand mehr an. Um ehrlich zu sein, wunderte mich das inzwischen, aber um die Rechnung hatte Daddy sich immer gekümmert. Vielleicht war es damit jetzt auch vorbei. Ich sah noch einmal auf die Anzeige. Tatsächlich, da stand »Nummer außer Betrieb«. Mist. Bisher hatte ich mir nicht mal ein eigenes Handy gekauft. Das hatte ich immer über Daddys Firma bekommen. Ich setzte mich wieder aufs Bett. Nicht weinen. Bloß nicht weinen. Ich werde nicht, nicht, nicht weinen.
Ich zog eine Jogginghose von Juicy hervor, die ich normalerweise nur auf dem Weg zur Pilatesstunde tragen würde (damals wusste ich ja noch nicht, dass ich bald in dieser Hose leben würde), und ein CC - T -Shirt. Ich musste das Ganze einfach als Training betrachten, das war alles. Dabei laute Musik hören und mir einreden, das sei jetzt der letzte Schrei wie damals, als alle so taten, als wäre Striptease an der Stange plötzlich eine Sportart.
Zuerst die Küche. Ich glaube nicht, dass ich in meinem Leben schon mal einen bedrückenderen Raum gesehen hatte. Er war so jämmerlich dunkel und trostlos, mit den allerbilligsten, fiesesten Arbeitsflächen, die speziell zu dem Zweck entwickelt worden waren, möglichst viele Flecken und Keime anzulocken. Kacheln in Orange, Braun und Grün buhlten um den spärlichen Platz an der Wand. Der Kühlschrank sah aus wie eines von diesen Modellen, die ab und zu in der Presse auftauchen, neben einer seltsam aussehenden Frau, die verkündet: »Den hab ich 1952 gekauft, und er funktioniert immer noch!« Oder er hätte dort zumindest auftauchen können, wenn
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