Prada Party und Prosecco - Roman
Träumen hatte ich mich bereits bei einem Vogue -Fotoshooting gesehen, bei dem ich endlich wieder schöne Klamotten anziehen durfte. Die Hüllen für ein Männermagazin fallen lassen? Auf keinen Fall. Definitiv absolut auf keinen Fall. Ich würde eher No-Name-Chlorbleiche trinken, als einen Bikini anzuziehen und …
Dann erzählte sie mir, wie viel die zahlten. Und das ließ plötzlich alles in einem ganz anderen Licht erscheinen … ich meine, das war meine Rettung. Der Mietrückstand, die Rechnungen, ich würde mein Handy aufladen können. Es war Geld, von dem ich nicht wusste, wie ich es auftreiben sollte. Es war … na ja. Mir blieb kaum eine Wahl. Es war übel.
Zwei Tage zuvor war ich mit Eck zusammen nach Hause gegangen. Er hatte sich angewöhnt, auf dem Weg von der Akademie regelmäßig im Studio vorbeizuschauen und mich nach Hause zu begleiten. Ich seufzte.
»Wie geht’s dir?«, erkundigte sich Eck.
»Ich weiß, dass Grace und Kelly das jeden Tag machen. Deshalb verstehe ich gar nicht, warum mich die Sache so fertigmacht. Ich hatte einen richtig miesen Tag.«
»Hattest du vorher denn noch nie miese Tage? Ich weiß auch nicht – ein Brand in der Gold-und-Diamanten-Fabrik?«
»Ja, ja, ja«, grummelte ich. »Ehrlich gesagt, nein. Es war immer alles in Ordnung. So, Themenwechsel. Wie sieht’s denn bei dir aus?«
Bei näherer Betrachtung wirkte Eck auch nicht besonders glücklich.
»Die Sache mit der Abschlussshow läuft einfach schlecht. Ich weiß auch nicht. In den letzten Monaten habe ich irgendwie die Lust an dieser ganzen Kunst-Sache verloren. Ich kann gar nicht sagen, warum. Ich träume wieder von meinem alten Bürojob. Verrückt. Egal, macht ja nichts. Das geht schon irgendwie in Ordnung. Lass uns über irgendwas Nettes reden, über Häschen und Kätzchen oder so.«
Ich seufzte wieder und dachte an das Fotoshooting. Wenigstens hatten sie zugestimmt, dass Julius es übernahm.
»Wirst sehen, das wird schon nicht so schlimm«, beruhigte er mich. »Ich meine, Leute wie Isabella Hervey machen das auch. Nicht, dass ich irgendwas darüber wüsste oder mir das je angesehen hätte oder so, nie, nein, niemals. Na ja, ein Mal, aus Versehen, beim Zahnarzt.«
»Du hast beim Zahnarzt Isabella Hervey im Bikini gesehen?«
»Vielleicht lag das auch an den starken Schmerzmitteln, die mir verabreicht wurden.«
Ich trat gegen ein Steinchen auf dem Gehweg.
»Hast du denn mal mit deiner Stiefmutter geredet?«, fragte er jetzt sanfter.
»Nein! Ich …« Ich fühlte mich bei Eck so sicher, als könnte ich ihm die Wahrheit erzählen. »Ich habe Angst. Sie ist meine letzte Hoffnung.«
Eck knuffte mich auf seine jungenhafte Art an die Schulter. »Ist sie nicht. Gib die Hoffnung niemals auf, Sophie.«
Esperanza spürte Gail für mich auf. Ich weiß nicht, was ich ohne sie gemacht hätte. Es stellte sich heraus, dass meine Stiefmutter in einer Mietwohnung in Battersea lebte. Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte. Vielleicht hielt sie den Ball flach, bis die Anwälte endlich verschwanden. Ich quetschte mich in meinen alten Max-Mara-Anzug und nahm den Bus nach Battersea Rise.
Ich war unglaublich nervös. Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich damit verbracht, diese Frau zu ignorieren, über sie Witze zu reißen und ihr Widerworte zu geben. Und jetzt war sie der Schlüssel zu allem, was mir vielleicht noch geblieben war.
Durch die Gegensprechanlage klang ihre Stimme fahrig und mürrisch. Als ich meinen Namen nannte, herrschte lange Schweigen. Ich fürchtete schon, sie würde mich überhaupt nicht reinlassen. Aber dann ertönte doch der Türsummer.
Im Flur roch es nach Lavendel und kleinen Hunden. Überall standen Plastikblumen herum, und die Briefkästen waren grau vor Staub. Der Aufzug war eng und dunkel, also folgte ich lieber der Beschilderung in den fünften Stock. Die Tür war nur angelehnt. Ich klopfte zögerlich und trat dann ein.
Gails Wohnung war winzig. Mit zwei langen Schritten hatte man schon die Kochnische erreicht. Vom kurzen Flur gingen zwei Türen ab; offensichtlich Schlafzimmer und Bad. Sie hatte versucht, etwas von der Dekoration aus dem alten Haus dort unterzubringen – einen riesigen ausgestopften Turmfalken, der meinem Vater und mir immer gefallen hatte (keine Ahnung, warum), und eine verschnörkelte Vase –,hier aber wirkte das alles wuchtig und beklemmend.
Die Wohnung war nicht besonders hell, und der Teppich hatte ein furchtbares Strudelmuster, von dem mir die Augen
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