Prada, Pumps und Babypuder
von Kelly dabei. Elinor ist schlanker denn je, und ihr Haar sieht aus wie ein lackierter Helm. Das Gesicht ist blass und straff wie eine glatt gezogene Maske. Typisch. Bei Barneys in New York habe ich jeden Tag Frauen wie sie gesehen, aber hier wirkt sie… na ja, anders kann man es wohl nicht ausdrücken: unheimlich.
Ihr Mund bewegt sich einen Millimeter. Das muss die Begrüßung sein.
»Hallo, Elinor.« Ich spare mir ein Lächeln. Sie wird denken, dass ich mich auch mit Botox habe behandeln lassen. »Willkommen in London.«
»London ist heutzutage so heruntergekommen«, sagt sie missmutig. »So geschmacklos.«
Was soll das denn heißen? Ganz London geschmacklos?
»Besonders die Queen«, sage ich. »Sie hat keine Ahnung.«
Elinor ignoriert meine Bemerkung und zieht sich einen Stuhl heran. Sie sieht mich einen Moment lang wie versteinert an. »Ich habe gehört, du gehst nicht mehr zu dem Arzt, den ich euch empfohlen hatte. Zu wem gehst du nun?«
»Ihr Name ist… Venetia Carter.« Nur den Namen auszusprechen tut mir körperlich weh. Elinor reagiert überhaupt nicht. Also weiß sie wohl noch nichts.
»Hast du Luke schon getroffen?«, frage ich.
»Noch nicht.« Sie zieht sich die kalbsledernen Handschuhe aus und beäugt mein Krankenhausnachthemd. »Du hast ganz schön zugenommen, Rebecca. Ist die neue Ärztin damit einverstanden?«
Typisch. So ist sie immer. Kein »Wie geht es Dir?« oder »Du siehst aus wie das blühende Leben.«
»Ich bin schwanger«, gifte ich sie an. »Ich bekomme ein großes Baby.«
Elinors Blick lichtet sich nicht. »Hoffentlich nicht zu groß. Riesenbabys sind ordinär.«
Ordinär? Wie kann sie es wagen, mein süßes Kind ordinär zu nennen?
»Ich bin froh, dass es ein großes Kind ist. Dann ist mehr Platz für… die Tattoos.«
Fast kann ich den Schock in ihrem unbeweglichen Gesicht sehen. Da platzen ihr beinahe die Nähte. Oder Klammern. Womit auch immer man das zusammengezimmert hat.
»Hat Luke dir nichts davon erzählt?« Ich tue überrascht. »Wir haben einen Tätowierer gefunden, der sich auf Babys spezialisiert hat. Er kommt direkt in den Kreißsaal. Wir dachten an einen Adler auf dem Rücken und unsere Namen in Sanskrit auf…«
»Mein Enkelkind wird nicht tätowiert.« Ihre Stimme ist geladen.
»Oh doch. Luke ist in den Flitterwochen richtig süchtig nach Tattoos geworden. Er hat ja selbst schon fünfzehn!« Ich strahle sie an. »Wenn das Kind erst mal da ist, will er sich den Namen auf den Arm tätowieren lassen. Ist das nicht süß?«
Elinor hält ihre Kelly-Tasche so fest umklammert, dass ihre Venen auf der Hand hervortreten. Sie weiß nicht, ob sie mir glauben soll oder nicht.
»Habt ihr euch schon einen Namen ausgesucht?«, fragt sie schließlich.
»Mmh«, nicke ich. »Armageddon für einen Jungen und Pomegranate für ein Mädchen.«
Sie ist einen Augenblick sprachlos. Ich kann geradezu sehen, wie gern sie die Augenbrauen hochziehen würde oder die Stirn runzeln oder irgendeine Regung zeigen. Das wahre Gesicht unter diesem Botox-Tier kann einem fast leidtun.
»Armageddon?«, platzt es schließlich aus ihr heraus.
»Ist das nicht ein toller Name? Ein bisschen Macho, aber immer noch elegant. Und ungewöhnlich!«
Elinor sieht aus, als ob sie jeden Moment explodiert. Oder implodiert.
»Das lasse ich nicht zu!«, bricht es schließlich aus ihr heraus. »Tattoos! Diese Namen! Du bist… unverantwortlich, jenseits…«
»Unverantwortlich?«, unterbreche ich sie. »Ist das dein Ernst? Nun, wir haben wenigstens nicht vor, unser Kind im Stich zu lassen…« Ich halte inne. Das scheint mir doch etwas hart. Ich kann das nicht. Ich kann Elinor nicht so furchtbar attackieren. Dafür habe ich nicht die Kraft. Und überhaupt… Ich bin abgelenkt. In meinem Kopf schwirren plötzlich andere Gedanken umher.
»Rebecca.« Elinor kommt auf mein Bett zu, ihre Augen verraten ihre Wut. »Ich weiß nicht, ob du das alles ernst meinst oder…«
»Sei still!« Ich hebe die Hand. Es ist mir egal, ob ich unhöflich bin. Ich muss mich konzentrieren. Ich muss das zu Ende denken. Plötzlich sehe ich klarer. Als ob die Puzzleteile endlich zusammenpassen.
Elinor hat Luke verlassen. Und nun will Luke sein Kind verlassen. Die Geschichte wiederholt sich. Ist ihm das klar? Wenn ich es ihm veranschaulichen könnte…
»Rebecca!«
Ich sehe in Elinors verzweifeltes Gesicht, das zu platzen droht.
»Oh Elinor… es tut mir leid«, sage ich. Mein Groll ist verflogen. »Es ist nett, dass du
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