Prador-Mond: SF-Thriller (German Edition)
Verkehr von Stationspersonal herrschte. Viele der Leute führten dicht mit Munition bepackte Gravoschlitten. Zum Ende dieses Korridors war der Blick in einen weiteren Gang frei, dieser dicht gefüllt mit Zivilisten, die sich langsam ihren Weg hindurchbahnten. Viele von ihnen trugen kleine Reisetaschen oder ähnliche Dinge.
»Aus der Sektion, die die Prador eingenommen haben?«, fragte Jebel.
»Nein. Evakuierung. Alle backbordseitigen Runcibles wurden geöffnet, und die KI schleust die Leute hindurch, so schnell sie kann.« Er warf einen Blick auf Jebel. »Draußen sind ECS-Schlachtschiffe aufgefahren. Du weißt, was wahrscheinlich geschieht, wenn sie das Pradormutterschiff angreifen, und es scheint kaum ein Zweifel zu bestehen, dass sie das tun werden.«
Jebel verstand: Eine Station in unmittelbarer Nähe zu einer sich anschließenden Schlacht wäre hochgradig verwundbar - eine Belastung. Deswegen fühlte er sich aber auch nicht besser.
Eine Reihe Medistationen folgte direkt auf die Krankenstation. Urbanus blieb vor einer Tür stehen, starrte sie kurz an, trat dann zur Seite und schob Jebel ein Stück rückwärts. Die Tür ging auf, und eine Automatiktrage glitt heraus - die Frau darauf bewusstlos und von Kopf bis Fuß in eine dieser engen Monturen gekleidet, die, wie Jebel wusste, üblicherweise nach umfänglichem Ersatz der Haut getragen wurden. Urbanus führte ihn jetzt durch die Tür in einen Raum, in dem zwei Meditechs die Aufsicht über fünf Operationstische und fünf bedrohliche Autodoks führten. Drei der Tische waren belegt, und auf einem davon rupften zwei Autodoks an einer vage menschenähnlichen Gestalt herum. Jebel entdeckte ausgespreizte, gebrochene Rippen, Schläuche voller Blut, eine aufgeblasene Lunge, an den Knien abgetrennte Beine und verkohlte, tropfende Haut. Der Rest bestand aus einem undeutlichen Eindruck glänzender Roboterarme, dem leisen Summen von Knochen- und Zellschweißern sowie zischenden, saugenden und knirschenden Geräuschen. Jebel wandte den Blick ab.
»Ist er das?«, fragte eine dünne blonde Frau, die sich über einen weiteren Autodok beugte und diesen gerade neu programmierte. Sie warf einen kurzen Blick auf den fehlenden Arm. »Ja, ich sehe, dass er es ist.« Sie drehte sich um, nahm den Koffer auf, den Urbanus aus der anderen Mediabteilung mitgebracht hatte, öffnete ihn und holte Golemhand und -unterarm hervor. »Auf den Tisch mit Ihnen.«
Jebel zögerte, hatte das Gefühl, dass es zu schnell ging.
»Sofort auf den Tisch!«, brüllte die Frau. »Ich habe da draußen Leute, die im Sterben liegen!«
Jebel gehorchte, fühlte sich schuldig, weil seine Wunde noch hätte warten können und weil er vor anderen behandelt wurde, die es nötiger hatten. Und warum? Weil er dazu ausgebildet worden war, genau die Art Verletzungen herbeizuführen, die diese Frau jetzt behandeln musste. Er legte sich zurück, spürte, wie der Nervenblockierer ohne weitere Umstände in den Hals eindrang und sich sein Körper unterhalb des Halses in ein taubes Steak verwandelte. Dann beugte sich der Autodok schwirrend über den Armstumpf, als wollte er ihn verspeisen. Jebel schloss die Augen.
Moria blickte zu dem inzwischen vertrauten Bild hinauf, das diesmal auf dem öffentlichen Bildschirm des Shuttles erschien, der sie zurück zum Trajeen-Frachtruncible brachte: der große Prador, wie er den Botschafter der Menschen in zwei Hälften schnitt. Die Nachrichtensprecher wurden inzwischen schwärmerisch, wenn sie von diesem Angriff auf die Polisstation Avalon sprachen, während diese Geschichte langsam von denen über weitere Angriffe verdrängt wurde.
»Naja«, sagte Carolan Prentis auf dem Sitz neben ihr, »die Xenobiologen weinen von jeher darüber, dass wir noch nicht auf intelligente Außerirdische gestoßen sind. Ich frage mich, wie sie sich jetzt fühlen?«
Nach wie vor leicht erschüttert und tief über sich selbst verärgert, blickte Moria zu ihrer Nebenfrau hinüber. Carolan trug den blauen Overall einer Runcibletechnikerin mit dem gleichen Stolz wie Moria, obwohl sie eine niedrigere Projekteinstufung hatte. Das elfenhafte Gesicht, das zweifellos auf kosmetische Chirurgie zurückging, erinnerte Moria an etwas aus einem VR-Fantasyspiel (Moria schnitt bei dieser Analogie eine Grimasse - wer war sie schon, wenn es darum ging, den Unterschied zwischen Fantasie und Realität zu erkennen?), wohingegen Carolans dunkelbraune Augen mit den grünen Flecken und das unpassende, kurz geschorene blonde
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