Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
händeschüttelnd einen Weg durch die Menge bahnten. Als Joel merkte, wie blitzschnell der Funke übersprang, verkündete er über den Lärm hinweg: »Wir sind Zwillinge! Seelenpartner!«
Georgia wurde überall nur als »Golden Girl« bezeichnet, ein unangemessener Versuch zu beschreiben, wie fantastisch energiegeladen, hübsch und einfach nett sie war. Nur ein ganz besonderer Mann war ihrer würdig, und Joel war der perfekte Kandidat. Als
Nettester und am besten Aussehender seiner gut aussehenden Freundesgruppe vom Typ neuer Mann konnte er kaum anders, als sich zu Georgia hingezogen zu fühlen, der Deluxe-Version ihrer Clique von Hochglanzfreundinnen.
Und jetzt hatte sie also einen Seelenpartner. Natürlich, dachte Vicky, schamerfüllt neidisch. Georgia war immer die Erste. Das erste Fußkettchen, die ersten Sandalen mit Keilabsatz – sie hatte einfach einen untrüglichen Instinkt für alles, was gut und neu und richtig war. Vor ein paar Jahren hatte Vicky versucht, sie mit einem Paar Stiefel zu übertrumpfen, die sie voller Freude aus New York eingeführt hatte. Diesmal gewinne ich , hatte sie gedacht, während sie atemlos in ihren neuen Stiefeln voranschritt. Aber Georgia war ihr zuvorgekommen. Wieder einmal. Mit einem ganz ähnlichen Paar Stiefeln – ähnlich, nur besser . Der Absatz war hübscher, das Leder weicher, das Ganze einfach eine Spur überzeugender. Dabei hatte sie sie bloß bei Ravel besorgt.
Seelenpartner. Es war Anfang der 1990er Jahre, und der ganze New-Age-Kram kam gerade in Mode. Katie hatte vor kurzem vier Kristalle gekauft und in ihrer Wohnung aufgestellt, aber was waren schon vier Kristalle gegen einen waschechten, lebendigen Seelenpartner? Ein Seelenpartner, das war einfach nicht zu überbieten – besser als ein Tattoo, besser als hennaverzierte Fingernägel, besser als eine Cappuccinomaschine. Rasch folgten andere Leute Georgias und Joels Beispiel und behaupteten, ebenfalls ihren SP gefunden zu haben. Aber es war nur eine Scheinvertrautheit, die auf einer chemischen Verbindung beruhte und genauso schnell wieder abflaute, wenn die Wirkung des Kokains, Ecstasy oder Absolut nachließ.
»Wir sind Zwillinge«, verkündeten Georgia und Joel der ganzen Welt und demonstrierten ihre Gemeinsamkeiten. Ein schiefer Schneidezahn, auf dem sie eine Krone trug und den er nach einem
Motorradunfall hatte künstlich ersetzen lassen müssen. Beide waren blond, obwohl Georgia zusätzlich noch Strähnchen hatte. Allerdings waren sogar Gerüchte im Umlauf, dass auch Joel welche hatte.
Innerhalb weniger Wochen waren sie zusammengezogen und hatten ihre Wohnung mit einer Serie seltsamer Dinge voll gestellt, die alle einen stylischen Glanz annahmen, sobald sie in ihren Besitz gelangten. Aber ganz egal, wie sehr andere ihnen nacheiferten, sie erzielten nie dieselbe Wirkung. Die leberlila Farbe, mit der Georgia und Joel in einem Zimmer ihrer nach Süden ausgerichteten Wohnung einen umwerfenden Effekt erzielten, ließ sich einfach nicht auf irgendeine andere Wand transferieren. Vor allem nicht in Tims und Alices Wohnzimmer, das nach Osten ging. »Ich ertrag es nicht«, gab Tim schließlich zu. »Ich hab das Gefühl, ich sitze im Innern eines Bauchorgans, wenn ich fernsehe.«
Georgia und Joel gaben ihr Geld mit leichter Hand aus. »Hey, wir sind pleite!«, sagten sie des Öfteren lachend – und machten sich umgehend auf den Weg ins River Café. Wenn sie eine besonders grausame Kreditkartenabrechnung bekamen, schnallten sie den Gürtel enger, indem sie erst mal eine Flasche Champagner kauften. Bei ihnen erschienen Schulden erstrebenswert, stylisch, lebendig. »Geld ist zum Ausgeben da«, behaupteten sie, und ihre Freunde machten es ihnen vorsichtig nach und mussten dann zusehen, dass sie nicht allzu oft mitten in der Nacht wegen der Höhe des Überziehungskredits mit Angstschweiß auf der Stirn aufwachten.
Nachdem Georgia und Joel vier Jahre zusammen waren, überraschten sie ihre Freunde damit, dass sie heirateten. Aber natürlich war es nicht irgendeine Hochzeit, das haben Sie sicher schon erraten. Die beiden fuhren nach Las Vegas; Freitagabend nach der Arbeit stiegen sie in den Flieger, wurden samstags von einem Elvis-Doppelgänger
getraut und waren am Montag rechtzeitig zur Arbeit wieder zurück. Am darauf folgenden Wochenende mieteten sie einen Barocksaal am Charterhouse Square, verhängten alles mit weißem Musselin und veranstalteten die Mutter aller Partys. Dabei bewiesen sie einmal mehr, dass sie
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