Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
Meinem Status als Ex-Alki zu Ehren lautete das Motto der Debatte: Sollen Drogen legalisiert werden? Es war die einseitigste Debatte, die ich jemals erlebt habe; von Anfang an war klar, dass sämtliche Studenten eine Riesenangst vor Drogen hatten, und das ärgerte mich irgendwie, weil ich ja wusste, wie der Alkoholismus in Russland grassierte. Warum sollte man sich bemühen, Kiffen weiterhin zu kriminalisieren, solange Alkohol völlig legal und ganz offensichtlich dabei war, mehr Russen umzubringen und mehr russische Leben zu zerstören, als alle anderen Drogen zusammen?
Egal, ich hätte trotzdem meinen Mund halten und höflich lächeln sollen, aber zu meiner großen Schande brachte ich das nicht fertig. Brutal und ungehobelt tat ich meine Meinung kund, und obwohl man mir danach eine Schachtel Pralinen überreichte, war mir klar, dass die Verantwortlichen mit dem Gedanken spielten, sie lieber für sich zu behalten. Nicht, dass ich ihnen daraus einen Vorwurf mache. Diese Schande! Wie konnte ich mich nur so unzivilisiert benehmen!
So gelangten wir schließlich in unser Hotel, ein windiges, unheimeliges Etablissement, das offenbar vollständig bei Ikea gekauft worden war. (Das ist nicht erfreulich, denn ich habe einige der unglücklichsten Momente meines Lebens bei Ikea verbracht.)
Ich schämte mich zu sehr, um an jenem Abend essen zu gehen, aber Walja zwang mich dazu. Im Restaurant war sie seltsam ruhelos,
kippte Wodka und hielt Ausschau nach einem geeigneten Mann zum Abschleppen. Sie liebte ihren Ehegatten noch immer, aber sie war nicht abgeneigt, den Sex auch mal mit einem anderen zu machen. Zum Beispiel mit dem Mann da drüben, sagte sie und zeigte auf einen stiernackigen, aber ansonsten recht attraktiven Typen, der für einen Russen sogar überraschend hübsche Schuhe trug. Ich war begeistert, denn ich hatte eine heftige Abneigung gegen den abgehauenen Ehemann entwickelt und wünschte mir, dass Walja jemand Neuen fand. Mein Herzallerliebster und ich wünschten ihr alles Gute, überließen sie ihrem Schicksal und gingen zurück zu unserem zusammengeschusterten Ikeahotel. Irgendwann in der Nacht wurden wir von einem unglaublichen Donnerschlag geweckt. Es klang, als wäre eine Zimmerdecke eingestürzt. Gerade waren wir wieder dabei einzudösen, als ein weiterer Schlag ähnlichen Kalibers ertönte. Dann noch einer, diesmal so schlimm, dass Herzallerliebsters Waschbeutel vom Badezimmerregal fiel. Das alles hatte etwas mit Walja zu tun, ich wusste es!
Große Aufregung am nächsten Morgen beim Frühstück, als wir durch den Zigarettenqualm Waljas Typen vom vorigem Abend entdeckten. Offensichtlich war er ein Treffer gewesen!
Aber leider weit gefehlt, denn es stellte sich heraus, dass er einfach nur ebenfalls in unserem Hotel wohnte. Mist!
Endlich erschien Walja und erzählte dem gesamten Speiseraum – der besseren Verständlichkeit halber erst auf Englisch, dann auf Russisch –, dass sie gestern Abend in volltrunkenem Zustand in ihren Schrank gefallen war. (Der erste Krach, den wir gehört hatten.) Dann führte sie weiter aus, dass sie ihren Ehemann so schrecklich vermisst und sich so heftig mit ihrem Kissen herumgewälzt hatte, dass sie aus dem Bett gefallen war. (Der zweite Schlag.) Zweimal. (Der dritte Schlag, der den Herzallerliebstenwaschbeutel zu Fall gebracht hatte.)
Fünfter Tag
Weiter nach Sankt Petersburg. Das Flugzeug war relativ normal. Mit Sitzgurten und ähnlichem Zubehör. Aber das andere hatte mir viel besser gefallen.
Sankt Petersburg mit seinen breiten Boulevards im europäischen Stil und seinen beeindruckenden, bombastischen Bauwerken ist bekanntlich die Stadt, deren Loblied jeder in den höchsten Tönen singt. Ja, es ist auch unbestritten beeindruckend und wunderschön, aber eigentlich sind mir die kleineren, »russischeren« Städte lieber, diejenigen, die man normalerweise gar nicht sieht.
Meine Arbeit bestand aus zwei Workshops, in denen ich Englischstudenten traf, die derart begabt waren, dass ich mich geradezu beschämt fühlte.
Dann kam mein letzter Nachmittag, an dem ich – ohne Witz! – über das schönste Schuhgeschäft stolperte, in dem ich JEMALS gewesen bin. Und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich einige solcher Läden von innen gesehen habe.
Gott, ich liebe Russland.
P.S. Wenig später lernte Walja einen anderen Typen kennen. Er macht den Sex ganz exzellent.
P. P. S. Ein paar Monate nach meiner Rückkehr kam ich aus County Mayo zurück und merkte
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